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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Autowerkstatt und einen Zubehörhandel besaß. Der würde den Wagen holen und vier neue Reifen montieren. Aber 500 Euro, so überschlug Sander schnell, musste er sicher dafür berappen. Und das waren immerhin 1.000 D-Mark. Sander konnte sich noch immer den Wert einer Sache nicht in Euro vorstellen. Was immer er einkaufte, rechnete er in D-Mark um. Und wenn er gefragt wurde, warum er dies tat, hatte er stets die gleiche Antwort parat: ›Wenn mein Gehalt auch eins zu eins in Euro umgerechnet worden wäre wie die Preise, dann würde ich in Euro rechnen. Solange das aber nicht so ist, muss ich mir alles in D-Mark vorstellen.‹ Dass entgegen allen Beteuerungen der Politiker und amtlichen Statistiker alles teurer geworden sei, machte er stets an seinem Lieblingsbeispiel deutlich: Früher habe es im Supermarkt jede Menge 99-Pfennig-Artikel gegeben. Wären diese korrekt umgerechnet worden, müssten sie nun etwa 50 Cent kosten. Doch stattdessen würden dafür nun 99 Cent verlangt. ›Beweis für eine hundertprozentige Verteuerung‹, pflegte er seinen staunenden Zuhörern dann zu sagen. Oder: Eine Pizza koste, wenn man Glück habe, durchschnittlich etwa 7,50 bis 9 Euro. Seine Frage: ›Hätte früher jemand 15 bis 18 Mark für eine normale Pizza bezahlt?‹ Sander war zutiefst davon überzeugt, dass diese ›Währungsreform‹, wie er die Euro-Umstellung regelmäßig verächtlich nannte, nur dem einzigen Ziel diente, die Waren zu verteuern, was dem Staat zweierlei Vorteile erbracht hatte: Über die ohnehin angehobene Mehrwertsteuer noch mehr Knete abzuzocken – denn je teurer eine Ware, desto höher auch der prozentuale Anteil der Steuer, was sich bei hohen Benzinpreisen noch genialer für den Staat auswirkte. Und außerdem brachten hohe Preise das Ersparte wieder schneller in den Umlauf. Sander, der im Laufe seines Berufslebens lernen musste, kritisch, argwöhnisch und misstrauisch zu werden – auch wenn ihm dies den Ruf eines Miesmuffels einbrachte –, hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass in den Behördenstuben immer neue Schikanen und Ideen ersonnen wurden, wie man staatlicherseits ans Geld des Normalbürgers kam. Wobei die Betonung auf Normalbürger lag. Denn der Oberschicht, die nicht wirklich mit ihrer Hände Arbeit ihr Geld verdiente, war ohnehin nicht beizukommen. Erst kürzlich hatte Sander die satirische Feststellung gehört, für den Finanzminister seien alle Bürger Besserverdienende, die nicht durch Hartz IV unterstützt werden müssten. Als Sander dies vernommen hatte, kamen ihm Zweifel, ob diese Äußerung vielleicht nicht doch aus einer ernsten Rede eines Politikers stammte.
    Solche Gedanken jagten durch seinen Kopf, als ihm klar wurde, dass ihn das nächtliche Abenteuer nun 1000 D-Mark, also rund 500 Euro, kosten würde, falls er sich weiterhin hartnäckig weigerte, die Polizei zu rufen.
    Während Doris ungeduldig auf eine Entscheidung wartete, wurde er mit sich einig: Er ließ den Golf stehen – eine andere Wahl blieb ja nicht – und beschloss, Gunther den Wagenschlüssel zu bringen, damit er das Auto abschleppen lassen konnte.
    »Dir ist aber schon bewusst, was das bedeutet?«, fragte Doris ziemlich ärgerlich, als sie ihr Auto aus dem Parkplatz wieder hinaussteuerte. »Der, der das getan hat, wird es wieder tun.«
    Sander schwieg, lehnte sich zurück und ließ die Seitenscheibe herunter. Ihm war heiß.
    »Und eines sag ich dir«, keifte Doris weiter, »ich will nicht auch noch in diese Sache reingezogen werden.«
    Sander schloss müde die Augen. Nicht auszudenken, wenn dies tatsächlich geschehen würde.

28.
    Manuela Maller war nach dem Telefonat mit Oberstaatsanwalt Ziegler wieder in den Lehrsaal zurückgekehrt. Sie fühlte sich ausgelaugt. Ziegler konnte unangenehm werden, vor allem, wenn er sich direkt in die Ermittlungen einmischte. Und danach sah es aus. Alles, was er gesagt hatte, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er Sander ›durchleuchten‹ wollte – natürlich ganz legal und mit allen rechtstaatlichen Mitteln. Die Kripochefin beschlich das ungute Gefühl, dass sich damit vermutlich bald hohe Justizkreise auseinandersetzen mussten. Sander war mit Sicherheit nicht durch ein persönliches Gespräch mit Häberle dazu zu bewegen, die Schriftstücke herauszurücken oder gar preiszugeben, wen er in dieser Nacht getroffen hatte. Andererseits hatte er doch über Notruf den Eindruck erweckt, Hilfe zu brauchen. Wenn er Pech hatte, würde er den Hubschraubereinsatz bezahlen

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