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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Morgengrauen hinein im Wintergarten gelesen hatte, wollte er tatsächlich zunächst für sich behalten. Immerhin hatte ihm ein Unbekannter großes Vertrauen entgegengebracht – auch wenn die Flucht vor dem Verfolger nicht gerade angenehm gewesen war, überlegte Sander und zermarterte sich erneut das Gehirn, ob er den Mann hinterm Steuer hätte kennen müssen. Aber mehr als die Silhouette seines Kopfes, dazu noch verdeckt von der massiven Kopfstütze, hatte er nicht ausmachen können. Dunkle Haare vielleicht noch, dachte Sander. Und die Stimme? Möglicherweise verstellt? Ein bisschen schwäbisch eingefärbt. Irgendwie war Sander der Klang der Stimme so vorgekommen, als habe er sie schon einmal irgendwo gehört. Aber nachdem die wilde Flucht begonnen hatte, war er gar nicht mehr in der Lage gewesen, darauf zu achten. Und unterwegs war nicht viel gesprochen worden.
    »Hat man Sie auch schon durch die Mangel gedreht?«, hörte er plötzlich die Stimme des gegenübersitzenden Redaktionsleiters.
    Sander sah verwundert auf. »Wie? Ich? Ach so«, er stammelte wie ein Schulbub, »nein – das heißt doch, ja. Eine kurze Vernehmung, mehr nicht.«
    »Sie sind ja immerhin dicht dran«, meinte Kauz und legte ein handgeschriebenes Manuskript beiseite, das er mühsam redigiert hatte. »Ihr Schulfreund Werner Heidenreich, was hat der eigentlich gemacht? Sie schreiben in Ihrem Artikel, dass er bei der Steuerfahndung gearbeitet hat.«
    »Ja, das hat er sogar selbst am Lagerfeuer noch erzählt. Na ja – Werner hat immer, wenn man ihn getroffen hat, großspurig dahergeschwätzt. Ob es stimmt, dass er auch mit dieser Liechtensteiner Sache was zu tun hatte, weiß ich nicht.«
    »Sie meinen, da gibt es auch in unserer Gegend so Superreiche, deren Bankdaten auf dieser DVD drauf sind?«
    Sander zuckte mit den Schultern. »Es gibt mehr Reiche, als man sich vorstellen kann«, beschied er knapp. Erst kürzlich hatten sie sich über die geradezu schwindelerregenden Gehälter von Topmanagern auch in der Provinz unterhalten.
    Der Kollege wandte sich wieder seinem Bildschirm zu, während Sander mit der Rückenlehne seines Schreibtischstuhls wippte und gedankenverloren durch die große Fensterscheibe zum Turm des Alten Rathauses hinausblickte. Wie, so hämmerte es in seinem Kopf, konnte er rauskriegen, wer sich hinter dem Kennzeichen des Geländewagens verbarg? Früher, als man es mit dem Datenschutz hierzulande noch nicht so genau nahm, war das einfach gewesen. Eine gute Bekannte bei der Kfz-Zulassungsstelle oder beim Ordnungsamt hätte diesen kleinen Freundschaftsdienst übernommen. Aber heutzutage wagte dies niemand mehr.
    Und wenn er jetzt Häberle oder Watzlaff einweihen würde, sozusagen unter vier oder sechs Augen, dann bliebe dies nicht geheim. Allein schon von Amts wegen, wie es so schön hieß, müssten sie dieser Sache nachgehen. Das Esslinger Kennzeichen jedenfalls deutete auf einen Halter hin, der auch dort beheimatet sein konnte, wo die Schnellbahntrasse verlief. Das Kreisgebiet Esslingen reichte bis an die Albkante heran, bezog Nürtingen, Kirchheim und sogar Weilheim/Teck mit ein. Außerdem, durchfuhr es Sander, gab es in diesem Landkreis dicht vor den Toren der Landeshauptstadt Stuttgart gewiss auch jede Menge sehr reiche Menschen. Unternehmer, die in den Landgemeinden wohnten. Manager, die ihren Wohnsitz in eine beschauliche Gegend verlegt hatten, ohne auf Autobahnanschluss und den nahen Flughafen verzichten zu müssen.
    Sander beschloss zweierlei: Er würde versuchen, mit Sabine ins Gespräch zu kommen – und am Abend das turnusmäßige Treffen der Naturschützer in Schlat aufsuchen. Vielleicht gab es dort ein paar Neuigkeiten. Schließlich war Werner Heidenreich als Vertreter seiner als gemeinnützig anerkannten Bürgeraktion gegen den Bahntunnel offiziell dabei gewesen.
    Der Journalist rief am Computer die Homepage seines Internet-Providers ›Kabel-BW‹ auf, um sich ins persönliche Adressbuch einloggen zu können, in dem er die Adressen seiner Schulfreunde gespeichert hatte. Dann jedoch fiel ihm ein, dass er Sabine dort natürlich nicht finden würde. Er hatte nur Werners Nummer und Adresse notiert, und von Sabine kannte er nicht einmal den Nachnamen, sodass er sie auch im Telefonbuch nicht finden würde. Für einen kurzen Moment überlegte er, ob er auf Werners Festnetz anrufen sollte. Vielleicht war sie in seiner Wohnung und musste was erledigen. Vielleicht besaß sie aber gar keinen Schlüssel? Sander stellte fest,

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