Glasscherbenviertel - Franken Krimi
alt und wohnt noch bei ihrer Familie in Altdorf. Ich habe versucht, sie anzurufen und vorzuladen, aber bislang ist sie nicht an ihr Handy gegangen. Ein Festnetztelefon hat die Familie offenbar nicht, zumindest ist nirgendwo eine Nummer eingetragen.«
»Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als nach Altdorf zu fahren und persönlich vorzusprechen. Falls sie seine Zukünftige war, haben wir endlich jemanden gefunden, der uns etwas Genaueres über den Toten erzählen kann. Wie schaut es mit den letzten Tagen aus, von denen wir bislang wissen, dass Bülent Alkan lebend gesehen wurde?«
»Am 15. November hat er noch einmal mit seiner Schwester telefoniert.«
»Gibt es irgendwelche eingegangenen Anrufe?«
»Etliche. Wie schon angedeutet: Er scheint mit Gott und der Welt telefoniert zu haben. Allerdings herrschte seit dem 15. November absolute Funkstille.« Stellfeldt massierte seine Glatze.
»Okay. Ralph und ich machen uns auf den Weg nach Altdorf. Ruf du in der Zwischenzeit bitte bei Damla Ünlü an und lade sie für den Nachmittag vor. Durch den Verbindungsnachweis wissen wir ja nun, dass sie uns definitiv angelogen hat, was den Kontakt zu ihrem Bruder betrifft. Und sprich auch noch einmal mit dem Vater: Hake nach, was es mit Bülents Hochzeit in der Türkei auf sich gehabt hat. Wenn er wieder behauptet, von nichts zu wissen, lade ihn ebenfalls für heute Nachmittag vor.«
Stellfeldt nickte und machte sich eine Notiz.
Aus purer Neugier auf den Weihnachtsmarkt in Altdorf folgte Hackenholt der Beschilderung zur Innenstadt. Über die Nürnberger Straße gelangte er zum historischen Oberen Torturm. Einen Augenblick lang wunderte er sich, dass die Altstadt trotz Weihnachtsmarkt nicht gesperrt war, dann passierte er mit einem Schulterzucken das schmale westliche Einfallstor. Über das kopfsteinerne Straßenpflaster holperten sie zunächst den Oberen und dann den Unteren Markt entlang, bis die beiden Beamten schließlich durch den Unteren Torturm die Altstadt wieder verließen.
Zwar waren sämtliche Plätze und Gassen Altdorfs festlich geschmückt, so wie auch das historische Rathaus, an dem sie vorbeigekommen waren, aber Weihnachtsbuden waren weit und breit nicht zu entdecken. Erst an einer Ampel bemerkte der Hauptkommissar ein Schild, das ihn auf den Weihnachtsmarkt im Innenhof der alten Universität hinwies, der allerdings ausschließlich an den ersten drei Adventswochenenden stattfand. Damit war klar, warum ihnen heute kein verlockender Duft nach Glühwein, Zimtsternen und gerösteten Maroni um die Nasen wehte. Einerseits war Hackenholt enttäuscht, andererseits erleichterte es ihm, sich auf den Grund zu konzentrieren, weshalb sie überhaupt hier in Altdorf waren.
Die Familie Barzani wohnte in einem kleinen frei stehenden Einfamilienhaus am südöstlichen Rand von Altdorf, an dem die Staatsstraße Richtung Neumarkt vorbeiführte. Auf ihr Klingeln hin öffnete eine kleine, rundliche Frau mit einer großen Brille und Kopftuch. Misstrauisch musterte sie die Beamten. Noch bevor diese sich vorstellen konnten, drehte sie sich weg und rief auf Türkisch etwas ins Hausinnere. Kurz darauf erschien ein Mann an der Tür, vom Alter her das Familienoberhaupt. Seine Haare wie auch sein Schnurrbart waren schon ergraut. Nachdem Hackenholt und Wünnenberg sich ausgewiesen hatten, bat er sie widerwillig herein.
»Wir hätten gerne mit Ihrer Tochter Rojin gesprochen«, begann Hackenholt, nachdem sie ins Wohnzimmer geführt worden waren.
»Rojin ist nicht hier«, antwortete der Vater abweisend.
»Wann kommt sie wieder?«
»Das weiß ich nicht.«
»Es ist sehr wichtig, dass wir so schnell wie möglich mit ihr sprechen. Wo können wir sie erreichen?«
»Rojin ist bei Verwandten in der Türkei.«
»Seit wann?«
»Schon länger, ein paar Wochen«, lautete die unbestimmte Antwort.
»Dann brauche ich die Telefonnummer von Ihren Angehörigen.«
»Auf dem Land gibt es kein Telefon.«
Hackenholt musterte Barzani. »Gut, dann geben Sie mir bitte die Postadresse.«
Ohne mit der Wimper zu zucken, rasselte Azad Barzani eine Anschrift herunter, die Wünnenberg sich zwei Mal buchstabieren lassen musste, bis er sicher war, sie richtig notiert zu haben.
»Mit welcher Fluglinie ist Ihre Tochter geflogen?«
»Ein Freund hat sie mit dem Auto mitgenommen, das Flugzeug wäre zu teuer gewesen.«
»Soso.« Hackenholt musterte Barzani mit einem Blick, der seine Skepsis deutlich zum Ausdruck brachte. »An welchem Tag ist sie von hier
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