Glasscherbenviertel - Franken Krimi
die Akten und den Schlüssel des Dienstwagens ins Kommissariat hinaufbrachte. Als er sein Büro betrat, erinnerte er sich, dass er Sophie hatte anrufen wollen, sobald absehbar war, wann er zurück sein würde. Schnell griff er zum Telefonhörer.
»Soll ich dich abholen, oder möchtest du lieber laufen, weil du nachdenken musst?«
»Ausnahmsweise wäre es mir nicht unrecht, wenn ich nicht laufen müsste.«
»Man könnte auch einfach sagen: ›Ich würde mich freuen, wenn du mich abholst.‹ Das klingt nicht gar so beamtisch!« Im Geiste sah er Sophie vor sich, wie sie den Kopf über seine Formulierung schüttelte. »Aber gut, ich bin in zehn Minuten da.«
»Prima, ich warte unten an der Pforte Schlotfegergasse auf dich.« Hackenholt legte auf und wollte sich schon erheben, überlegte es sich dann aber anders und wählte Peter Renners Handynummer. Da es sowieso noch etwas dauern würde, konnte er die Zeit genauso gut nutzen, um seinen früheren Kollegen zu fragen, warum er am Nachmittag nicht auf dem Christkindlesmarkt erschienen war. Doch auch jetzt war Renners Handy ausgeschaltet.
»Sturer Bock«, murmelte Hackenholt und fragte sich gleichzeitig, ob der Beamte überhaupt noch in Franken war. Einem Impuls folgend, nahm er das Telefonbuch aus der untersten Schublade seines Schreibtischs und suchte die Nummer des Holiday Inn in Schwabach heraus. Als sich die Rezeptionistin meldete, bat er, mit Peter Renner verbunden zu werden.
Dem Klacken in der Leitung folgte ein Tuten. Nach dem zehnten Klingelzeichen vernahm er wieder die Stimme der Empfangsdame. »Hören Sie? Herr Renner nimmt leider nicht ab. Vielleicht ist er gerade im Badezimmer oder unten im Fitnessraum. Seinen Schlüssel hat er zumindest nicht bei mir abgegeben. Möchten Sie eine Nachricht für ihn hinterlassen?«
»Sagen Sie ihm bitte, dass ich ihn sprechen wollte. Er soll mich zurückrufen. Mein Name ist Frank Hackenholt. Die Nummer hat er.«
»Ich werde ihm schnellstmöglich Bescheid geben. Ihnen noch einen schönen Abend.«
Er beendete das Gespräch, stand auf, ging zur Tür und verließ das Kommissariat. Gerade als er dem Pförtner in der Loge im Vorbeigehen einen Gute-Nacht-Gruß zunickte, bog Sophie in die Einfahrt.
Montag
In der Morgenrunde legte Hackenholt die Fakten dar, die Wünnenberg und er am Wochenende zusammengetragen hatten.
»Am wichtigsten ist, dass wir mit Rojin Barzani eine Zeugin haben, die unsere bisherige Vermutung bestätigen konnte: Bülent Alkan wurde am 16. November getötet. Und zwar in der Zeit zwischen viertel zwölf und halb vier.«
»Meiner Meinung nach können wir das Zeitfenster sogar noch weiter eingrenzen, da um halb eins irgendetwas mit seinem Handy passiert ist«, erklärte Wünnenberg.
»Also, wergli nai is des edzerdla ned gråd« , murmelte Baumann. »Des hammer ledzd Wochn aa scho alles vermuded.«
»Ja, aber jetzt haben wir Gewissheit«, erwiderte Hackenholt. »Als Rojin Barzani in die Wohnung zurückkam, war Bülent Alkan tot.«
»Dann sollten wir am besten gleich Dilser und Servan Barzani vorladen und detailliert mit ihnen durchgehen, wann sie an dem Tag wo waren und was ihr Vater gemacht hat.« Stellfeldt strich sich über die Glatze. »Bisher haben wir nur ihre Aussagen, dass sie am 16. November in ihrem Geschäft waren. Damit geben sie sich gegenseitig ein prima Alibi. Wir brauchen also Zeugen, die sie dort auch tatsächlich gesehen haben.«
Hackenholt nickte. »Ich stelle es mir folgendermaßen vor: Einer der drei hat sich um das Internetcafé gekümmert. Den Inhabern der angrenzenden Läden wäre es aufgefallen, wenn sie an dem Tag später als sonst geöffnet hätten. Die anderen beiden sind zu Bülents Wohnung gefahren. Entweder haben sie dort aufs Geratewohl auf ihn gewartet, oder sie sind erst eingetroffen, als er schon zu Hause war, und er hat sie hereingelassen.«
»Wir sollten mit den Fotos von den drei Barzani-Männern die Nachbarschaft abklappern. Vielleicht erinnert sich ja jemand daran, sie während des fraglichen Zeitraums in der Denisstraße gesehen zu haben. Von der Gostenhofer Hauptstraße aus braucht man zu Fuß keine Viertelstunde und mit dem Auto nur wenige Minuten«, erklärte Stellfeldt.
»Gibt es neue Anhaltspunkte von deiner Seite?« Hackenholt sah zu Christine Mur hinüber, die bisher geschwiegen hatte.
»Ich glaube, ihr liegt völlig falsch. Wie ihr wisst, haben wir viele Fingerabdrücke und DNA -Spuren gesichert. Darunter müssen sich auch die vom Täter befinden –
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