Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)
miteinander verbinden.«
Christophs Erklärung klang plausibel. Allerdings wollte sie für die Richtigkeit der Aussage keine Hand ins Feuer legen.
»Davon ist mir nichts bekannt«, entgegnete Habicht.
»Mir aber. Ich bin seit meiner Zivizeit in der Charité eingesetzt und arbeite seit Jahren als Pfleger. Die Zugänge in das Labyrinth sind heute noch da, wenn auch fast alle verschlossen.« Er klang selbstsicher genug, um Habicht zu verunsichern.
Dankbar tastete Camilla nach Chris’ Hand, um sie unter dem Tisch zu drücken.
»Das muss ich nachprüfen. Leider konnte uns niemand sagen, welchen Weg du genommen hast, nachdem du in dem Treppenhaus verschwunden bist.«
»Ich kann Ihnen die Tür sogar zeigen.« Camilla fühlte sich nicht ernst genommen, obwohl sie verstand, weshalb er ihre Angaben überprüfen wollte.
»Lassen wir das vorerst mal so stehen. Das erklärt zumindest, wie du spurlos verschwinden konntest. Wo hat dich dein Weg sonst noch hingeführt?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe nichts gesehen. Keine Ahnung. Als ich auf dem unfertigen Bahnhof ankam …«
»Entschuldige, wenn ich dich unterbreche, aber ist mein Kollege dir bis dahin gefolgt?«
Irritiert schüttelte sie den Kopf. »Ich habe ihn nicht mehr gehört, nachdem ich durch diese Stahltür gegangen bin.«
Er nickte bedächtig, als dächte er über ihre Antwort nach. Seine Haltung machte sie nervös.
»Warum bist du nicht zurückgegangen? Nach einer Weile müsstest du dich doch sicherer gefühlt haben, oder?«
»Es gab keine Klinke von der anderen Seite.«
Er stutzte. »Wirklich nicht? Vielleicht hast du sie nicht gesehen.«
»Ich konnte sie nicht ertasten.«
Wieder verfiel er in Schweigen.
»Warum bist du vor Andreas Grimm weggelaufen?«, fragte Weißhaupt nun.
Eine eisige Woge erfasste sie. Auf eine solche Frage hatte sie gewartet. Was sollte sie sagen? Dass sie Angst vor ihm hatte? Ihr Erlebnis in Melanies Büro konnte sie ihm kaum glaubhaft machen.
Interessiert lehnte sich Habicht vor. »Die Frage beschäftigt uns alle. Was war der Auslöser für deine Flucht vor unserem Kollegen? Was ist vorgefallen?«
Sie griff nach ihrem Glas und nippte an der Cola. Der chemische Nachgeschmack hing in ihrer Kehle fest. Habicht lauerte. Er war ihr in keiner Weise wohlgesinnt. Vielleicht lag es daran, dass er gegen einen Kollegen ermitteln musste, oder bislang keine plausible Antwort zu ihrem Verschwinden gefunden hatte. Sicher hatte die Suche nach ihr nicht nur endlose Arbeitsstunden und Gelder verschlungen, sondern auch für Angst und Ärger gesorgt. Früher oder später würden auch ihre Eltern Antworten verlangen, die sie nicht geben konnte.
»Er hat mich verfolgt und bedrängt.« Wie schal klang das denn? Obwohl es der Wahrheit entsprach, hörte es sich nach einer Ausrede an.
»Klingt arg verwaschen.« Habicht zog die Brauen zusammen. »Definiere das bitte.«
Das zu erklären würde schwer fallen. Sie und ihre verdammte Klappe. Dieses Mal konnte ihr auch Chris nicht aus der Klemme helfen, weil er sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gekannt hatte.
»In Melanies Büro hat er Theresa und mich bedrängt. Sie hatte Angst vor ihm. Als sie verschwand, und er wie eine Dampfwalze auf mich zukam, bin ich einfach nur noch abgehauen.«
Die Erklärung war auch nichts. Sie sah es an Habichts zweifelndem Blick. Er glaubte ihr nicht.
»Gegen Grimm lauft eine interne Untersuchung«, sagte Weißhaupt. Er ließ die Worte wirken.
Sicher. Sie verstand, warum. Deshalb brauchten sie Details. Wie sollte sie ihnen diese Situation erklären?
»Herr Weißhaupt, erinnern Sie sich noch, dass Theresa und ich in Melanies Büro so seltsam reagiert haben?«
Er nickte. »Ihr saht aus, als hättet ihr einen Geist gesehen.«
»Das nicht gerade, aber so weit liegen Sie von der Wahrheit nicht entfernt.« Diese verdammte Unsicherheit. Sie redete sich nur tiefer in die Probleme. Ihr Herz raste. »Grimm hat uns beide mental bedrängt …«
Noch bevor sie das letzte Wort ausgesprochen hatte, stöhnte Habicht bereits gequält auf. »So ein Bockmist.«
»Das sollte wohl Ihre private Meinung dazu sein«, entgegnete Melanie ärgerlich.
»Glauben Sie ihr als Ärztin etwa?«
Er wartete Melanies Reaktion nicht ab, sondern schüttelte den Kopf. »Wenn ich nicht unhöflich sein und Ihre geistige Verfassung anzweifeln möchte …«
Die Worte griffen Melanie an. Erschrocken beobachtete Camilla die Szene. Ralph spannte sich, während Melanie äußerlich gelassen
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