Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)
nicht, ob die Uhrwerkfrau zu der Zeit bereits Forensikerin war.
»Andreas hat sich unheimlich für die Fälle interessiert. Er brachte mich auch auf den Gedanken, dass es sich dabei um einen pervertierten Nachahmungstäter handelte, der die sich wiederholenden Mordserien erneut aufnahm.«
Nachdenklich lehnte sie sich an die Fensterwand. »Ist denn zuvor nie aufgefallen, dass sich die Morde wiederholen?«
»Klar wurden Vermutungen angestellt. Wir haben noch ein paar dutzend Ordner und Aktenmappen, digitalisiert, in denen die Gedanken verschiedener Beamter seit achtzehnhundertschnee aufgenommen wurden. Was vom Krieg und der Säuberungswelle vor Kriegsende nicht aussortiert und entsorgt wurde, deutet darauf hin, dass sich einige Leute überlegt hatten, es mit einem okkulten Fall zu tun zu haben, oder dass das Amt des Schlächters von einer Familiengeneration zur nächsten weitergegeben wurde.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Was darüber schon sinniert wurde, könnt ihr euch kaum vorstellen. Aber ich war immer zu sehr Realist, um an solch eine Lösung zu glauben. Dass es nun doch auf diese bizarre Schiene gezogen wird …«
Logik ließ sich auf diesen Fall zwar anwenden, aber keine allzu eng gesteckte Sichtweise. Seit Pascals Tod und den Augen, die sich auflösten, wusste sie das.
Chris schob die Hände in die Hosentaschen und zog die Schultern etwas zusammen. Er lehnte sich gegenüber dem Kommissar an die Wand.
»Immerhin haben Sie nun trotz allem eine Konstante in Ihrem aus der Fassung geratenen Denkmodell, Habicht.«
»Und was?«
»Grimm«, entgegneten Chris und Camilla gleichzeitig.
»Schon richtig. Allerdings hatte ich ihn niemals unter Verdacht.«
»Verständlich«, sagte Chris. »Er ist schließlich nicht mit seinen Plänen hausieren gegangen.«
Habicht gab ein abfälliges Geräusch von sich. »Ich habe mir selten Gedanken gemacht, was mit Andreas war. Er gehörte zu den Guten, war mein Freund, hat die Freizeit mit mir verbracht und mir die Weiber ausgespannt.« Plötzlich zuckte er zusammen.
Camilla erwartete fast, dass ihm gerade die Lösung aller Probleme eingefallen sei. Neugierig beobachtete sie ihn.
»An eine Sache erinnere ich mich sehr deutlich.« Er tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Lippen. »Meine jetzige Freundin war auch kurz mit Andreas zusammen. Sie erzählte etwas sehr Seltsames. Er sei übermäßig stark und schwer. Im Bett muss er sich wie eine Dampframme verhalten haben, wobei er sie mehrfach verletzte. Sie kam deswegen ins Krankenhaus. Ich sprach ihn darauf an. Er sagte nur, dass sie es besonders hart mag. Damals habe ich mich sehr darüber gewundert.«
Er schüttelte den Kopf. »Natalie kenne ich seit dem Studium. Wir waren befreundet und hatten immer mal wieder was miteinander, halt gelegentlicher Sex unter Freunden. Von daher wusste ich, dass sie nicht zu den Frauen gehörte, die auf brutale Spiele stehen. Definitiv nicht.«
»Das hat Sie nie an Grimms Ehrlichkeit zweifeln lassen?«, fragte Chris ungläubig.
Camilla massierte ihre Schläfen. Der dumpfe Schmerz brandete immer noch auf und ab. »Grimm war Ihr Freund. Deswegen haben Sie alles ignoriert, was nicht so recht passte.« Die Hinweise waren da, aber wenn man vor lauter Freundschaft und Zuneigung blind war, sah man logischerweise keine Zusammenhänge.
»Stimmt nicht ganz. Zweifel gegen ihn hatte ich keine. Trotzdem kam es danach zum ersten Streit zwischen Andreas und mir. Kurz drauf kam er in unsere Abteilung und bandelte mit Denise an, bei der ich kurz zuvor abgeblitzt war.«
Typen! Eitel und schwanzgesteuert. Chris kam zu ihr, legte seine Arme um ihre Taille und kniff sie unsanft in die Seite. Allerdings ignorierte sie seinen Protest. »Wie konnte sich diese Freundschaft wieder einrenken?«
»Er hatte kein Interesse an Natalie und meinte es ernst mit Denise. Sie galt als fanatisch, wenn es um diese Mordserie ging, womit sie die passende Verbündete für ihn zu sein schien.«
»Dann war es also der Abstand, den Sie zu dem Ereignis mit Natalie und Andreas gewannen?«
Er nickte. »Zeitgleich entwickelte sich eine neue Art Freundschaft zwischen Natalie und mir. Sie wollte Sicherheit und ich hatte die Frau gefunden, um die ich mich unbedingt kümmern wollte. Beschützen musste ich sie nie. Sie ist auch Polizistin, aber beim LK4. Also festigte sich auch die Freundschaft zu Andreas wieder. Nur mit ihm und Natalie auszugehen war die Hölle.«
Christophs Lippen berührten sanft ihr Ohr. »
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