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Glattauer, Daniel

Glattauer, Daniel

Titel: Glattauer, Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Weihnachtshund
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bereits um Joe.
    Joe war
Musiker. Katrin hatte ihn noch nie gesehen. Er war meistens mit seiner Band auf
Tournee. Beate hatte großes Verständnis dafür. Beate hatte großes Verständnis
für alles, was Joe machte oder nicht machte. »Weißt du, Musik ist sein Leben«,
sagte sie oft. Er war Gitarrist oder Bassist oder Schlagzeuger in einer Rock-
oder Folk- oder Big-Band, glaubte sie. »Weißt du, er redet nicht gern über
seine Arbeit. Wenn er mit mir zusammen ist, dann ist er lieber ganz privat«,
meinte Beate. Fast alle Sätze, die von Joe handelten (also fast alle Sätze)
begannen mit: »Weißt du ...« Jeder dieser Sätze war darauf angelegt, einen
scheinbaren Missstand in Zusammenhang mit Joe so aufzuklären, dass dabei etwas
Gutes für Joe und somit etwas Schmeichelhaftes für sie herauskam, etwas das
ihn entweder als tollen Kerl auswies oder gar seine Liebe zu ihr unter Beweis
stellte.
    Katrin
hatte Beate vor drei Jahren in der Fahrschule kennen gelernt. Sie saß neben
ihr, war am Unterricht desinteressiert (das gefiel Katrin) und frisch
verliebt. (Das gefiel ihr weniger.) Nach drei Stunden hätte Katrin bereits
antreten können: zur theoretischen Joe-Prüfung. Sie wusste alles über Beates
erste drei Wochen mit ihm, von Typ und Klasse über Abschleppen, Antrieb,
Leistung und Bremsproblemen bis hin zum Fahrgestell.
    Beate
hatte sich von ihm in einer Bar aufreißen lassen. Joe war dort nach einem
Konzert hängen geblieben. Es gab zu der Zeit ein Wohnungsproblem mit seiner
damaligen Exfreundin. Sie ließ ihn nicht mehr in die Wohnung. Beate war mit
drei Freundinnen unterwegs gewesen - zwei fadisiert verheiratet und auch die
dritte gelangweilt liiert, also auf Abenteuersuche. Beate suchte eher wieder
etwas »Festeres«, nicht unbedingt kräftig, aber mit mehr Zukunft als die
Männer ihrer Vergangenheit.
    Sie hatten
Joe schon fast drei Stunden lang »süß« gefunden: wie er still für sich dasaß
und einen Joint nach dem anderen rauchte (um das Wohnungsproblem in den Griff
zu bekommen). Nur die Haarspitzen musste er sich schneiden lassen, beschloss
man. Die waren schon recht staubig, weil er mit ihnen in gebückter Haltung
zwangsläufig den Boden aufkehrte. Aber er war ein Mann, der ohne seine
subkulturelle Hängematte wie lieblos skalpiert ausgesehen hätte.
    Als er sie
auf eine Runde Tequila einlud, schlugen alle vier Herzen noch ein deutliches
Stück höher. Am höchsten schlug jenes von Beate. Denn Joe hatte nur Augen für
sie. (Sie war die Einzige, die allein wohnte, kombinierte Katrin.)
    Zur
Belohnung für seine auf sie konzentrierten Augen durfte er jedenfalls bei ihr
übernachten. »Weißt du, er schaut zwar vielleicht ein bisschen wild aus, aber
er ist eben Künstler«, erzählte sie Katrin danach. »Außerdem ist er sehr
reinlich, er hat sogar seine Zahnbürste mitgehabt«, verriet sie. - »Sag bloß,
du hast mit ihm gleich in der ersten Nacht geschlafen«, sagte Katrin. »Weißt
du, wir haben es eigentlich gar nicht vorgehabt, aber es hat sich spontan ergeben.
Joe ist sehr spontan«, erwiderte Beate und kicherte.
    In dieser
Art ging es drei Jahre weiter, nur verlagerte sich Joes Spontaneität
kontinuierlich weg von Beate. Es war eine jener einseitigen Liebesgeschichten,
die sich darüber definierten, dass im Grunde nichts da war, was wiederum die
Illusion auf alles und die Hoffnung auf vieles nährte. Zumindest Beate
definierte es so. Denn Joe war ja nicht da.
    Unter den
wenigen Dingen, die Beate von ihm erfuhr, waren unabsichtlich fünf
Frauengeschichten. »Weißt du«, sagte sie dann (jeweils) zu Katrin, »er
schlittert in solche Sachen hinein, er ist eben ein Gefühlsmensch. Aber es bedeutet
ihm nichts. Er sagt, er liebt nur mich.« - Nach diesen Worten verließ sie
allerdings der Mut. Da kamen ihr zumeist Tränen dazwischen. Oder sie probierte:
»Weißt du, er sieht das nicht als Betrug an, sonst würde er versuchen, es vor
mir geheim zu halten. Aber das tut er nicht. Das zeigt, dass es ihm nichts
bedeutet. Denn er liebt nur mich.« Auch diese Version ging selten ohne Tränen
ab. Und Katrin hatte endlich die Möglichkeit zu fragen: »Ist es nicht besser,
du lässt ihn stehen?« Eine sinnlose Frage, denn Beate »lässt nicht«, Beate
»wird gelassen.« Folglich reagierte sie ausweichend und fragte: »Was mache ich
falsch?« Darauf dachte Katrin »alles« und sagte nichts.
    Diesmal,
am Tag des Hühnerrisottos, hatte Joe ein versprochenes Wochenende mit Beate in
letzter Minute stornieren müssen,

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