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Glattauer, Daniel

Glattauer, Daniel

Titel: Glattauer, Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Weihnachtshund
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und der Liebe. »Beate und die Liebe« hörten
seit drei Jahren auf den Namen Joe. Joe war das bestimmende Thema und der
tiefere Sinn der Freundschaft mit Katrin. »Was mache ich falsch?« und »Was soll
ich machen?« war Beates Kernfragepärchen, das die gemeinsamen Abende
gestaltete. »Alles« und »Alles anders« waren die jeweiligen Antworten, die
Katrin stets auf der Zunge lagen. Manchmal rutschten sie ihr heraus und
plumpsten in die nicht leerer werden wollenden Teller. Das verkraftete Beate
nicht. Da war dann die Freundschaft zumeist unterbrochen - so lange, bis Beate
beschloss, Joe »diesmal endgültig« stehen zu lassen. Auf die entsprechende
telefonische Mitteilung musste Katrin oft mehrere Tage warten. Dann wurde die
Freundschaft wieder aufgenommen.
     
    Dem Abend
mit Beate und Joes Geist war ein hektischer Arbeitstag vorangegangen. Augenarzt
Dr. Harlich war in der Früh von einer Dachlawine erfasst und eingestaubt
worden. Er fühlte sich gedemütigt und schmutzig und war nicht in der Lage,
seiner Assistentin Katrin behilflich zu sein. »Schönes Fräulein, ich verlasse
mich ganz auf Ihren Fleiß, auf Ihr Geschick und Ihre Jugend«, sagte er (vom
Schnee) gebrochen und verließ die Ordination.
    Der
Wartesaal war voll. Die durch Nebel, Schnee und Verschmelzung der beiden
hervorgerufene schlechte Sicht der vergangenen Tage veranlasste weite Teile der
Bevölkerung, ihre Augen kontrollieren zu lassen. Da Dr. Harlichs Philosophie
»Jeder, der die Türschwelle meiner Ordination betritt, ist ein Patient und
wird sofort behandelt« (eine Philosophie, die ohne Voranmeldungen auskam), auch
in seiner Abwesenheit zu gelten hatte, fiel Katrins Mittagspause einem Dutzend
sofort zu behandelnder Patienten zum Opfer.
    Dazwischen,
zum ungünstigsten aller Zeitpunkte, auf den Mütter intuitiv spezialisiert sind,
rief die Mutter an und drohte: »Goldschatz, wegen Weihnachten reden wir noch.
Das kannst du deinem Vater nicht antun.« (Die Sache mit dem Hund.) »Und wer
ist dieser Max überhaupt? Du hast uns nie von einem Max erzählt. Von einem Martin
hast du erzählt, aber nicht von einem Max ...« - »Er arbeitet mit Pornofotos«,
erwiderte Katrin, um der Mutter vorschnelle Heiratsgedanken auszutreiben.
»Schrecklich«, seufzte sie ins Telefon, »und von so einem nimmst du einen
Hund? Goldschatz, was ist nur los mit dir? Dein Vater macht sich Sorgen ...«
    Ja, und
Max hatte angerufen. Das Telefonat legte sich Katrin in Dr. Harlichs
Sprechzimmer, sie wusste zwar nicht warum, aber sie tat es. Zwei parallel
untersuchte Patienten mussten sich einstweilen mit den Sehtesttafeln still
beschäftigen.
    Max wollte
sich nur für den Spaziergang bedanken. Er sagte, Kurt wisse gar nicht, wie gut
es ihm gegangen sei, dass sie mit ihm gegangen sei. Man (Kurt oder Max, das
ließ er offen) würde sich jedenfalls freuen, wenn Katrin diese Woche nach dem
Dienst einmal bei ihm vorbeikommen würde. Er (Max) würde einen frischen
Birnenkuchen machen, das sei seine absolute Spezialität. Er sei an sich ein
schlechter beziehungsweise kein Koch, er könne nicht einmal Spiegeleier machen,
ohne dass dabei Rühreier herauskämen. Aber der Birnenkuchen, der liege ihm,
den habe er im Griff, damit hätte er sich bereits in die Herzen sämtlicher
Großmütter des Wohnbezirkes gebacken. Sie müsse ihn unbedingt einmal kosten, am
besten noch diese Woche. Sie könne jederzeit kommen, er habe sonst nichts vor.
Er sei süß, aber auch wieder säuerlich, aber nicht zu sehr. (Der Birnenkuchen.)
Er (Max) sei am Abend meistens zu Hause und arbeite. - Karin musste
unwillkürlich an die Pin-ups denken.
    »Diese
Woche ist es bei mir terminlich schon ein bisschen eng«, log sie. Vor allem
das Wort »terminlich« mit den beiden unnahbaren »i« war ihr gut geglückt, fand
sie. »Aber eventuell morgen irgendwann zwischendurch.« - Vor fünf Jahren hätte
Katrin einfach mit »morgen« geantwortet und auf die drei Krücken der Vorsicht,
auf »eventuell«, »irgendwann« und »zwischendurch« verzichtet. »Jederzeit«,
erwiderte Max. Er dürfte ein anderer Typ sein als sie, dachte sie: vermutlich
der gegenteilige.
     
    Bei Beate
gab es Hühnerrisotto. Katrin kostete ein Stück Huhn, schob den Rest des
Fleisches an den Tellerrand, probierte einen Teelöffel Reis, schaufelte den
Rest zum Huhn, aß, was übrig geblieben war (fünf Rosinen), und fragte Beate, ob
sie ein Stück Brot haben könnte. »Was mache ich falsch?«, fragte Beate. Es ging
nicht mehr ums Risotto, sondern

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