Glattauer, Daniel
Katrin
scharf. »Weißt du, momentan ist er noch sehr viel auf Tournee, aber wenn
Weihnachten einmal vorbei ist...« Katrin erzählte nichts von Max. Womöglich
hätte Beate versucht, ihre Liebesgefühle zu vergleichen und die Männer aneinander
zu messen.
Franziska
war gerade dabei, Pipa und Leni zu füttern. Aus dem Telefon roch es nach
Banane. Zwischendurchgeräusche verrieten, dass nicht alle Löffel Brei ihren Weg
in die Münder der Kinder fanden (oder darinnen blieben). Einmal soff der Hörer
offensichtlich in der Bananenbreischüssel ab. Danach klang das Gespräch, als
würde E. T. nach Hause telefonieren.
Franziska
hatte von Eric die Scheidung verlangt, erzählte sie. Erst hatte er bitter
geweint und ihr geschworen, um sie zu kämpfen. Als sie sagte, dass er sich das
sparen könnte, dass sie ihn einfach nicht mehr liebte, gab er zu, seit einem
Jahr ein Verhältnis mit einer verheirateten Kollegin zu haben. Danach war ihr
leichter, erzählte Franziska. Sie hatte schon gedacht, sie und die Kinder wären
am Scheitern der Ehe schuld gewesen.
»Und was
macht dein Neuer?«, fragte Franziska. »Wie küsst er?« - »Gar nicht«, erwiderte
Katrin, »aber er will mit mir schlafen.« - »Auch nicht schlecht«, meinte
Franziska gequält. Sie musste gerade einen wuchtigen Stoß eines Kinderkopfes
in die Magengrube verdauen. Katrin erzählte ihr von dem verpatzten Abend mit
Max und vom vergessenen Hund und las ihr dann »Kurt erzählt eine Bettgeschichte«
vor. - »Warum schreibt mir nicht einmal einer so etwas?«, fragte Franziska.
»Der Typ ist Hals über Kopf in dich verliebt!« - »Aber er unternimmt nichts«,
jammerte Katrin und wurde darin mit einem solidarischen Aufheulen der
Zwillinge im Hintergrund bestätigt. »Dann tu's du!«, sagte Franziska. »Der Mann
schreit doch danach, verführt zu werden!«
Max
steckte gerade mit seinem Kopf in der gefüllten Badewanne, um die Dichtheit
seiner Taucherbrille zu prüfen - da musste sogar Kurt aus dem Schlaf erwachen
und nachschauen, was los war; Aktionen solcher Art gab es selten in diesem
Haus -, als Paula anrief. Sie ließ es lange genug läuten, dass Max auftauchen
konnte. Sie hatte wichtige Nachrichten. »Darf ich?«, fragte sie. Ihre Stimme
klang gehetzt wie die einer Kriminalheldin, die einen lang gesuchten
Serienmörder ausfindig gemacht hatte und nun mit ihrem Chef verbunden war, um
ihm die Fakten zu präsentieren.
»Lisbeth Willinger,
ehemalige Unger. 29 Jahre alt. Vier Jahre Volksschule, vier Jahre
Polytechnischer Lehrgang, drei Jahre Berufsschule. Friseur-Lehre mit
Gesellenprüfung. Angestellte bei >Frisiersalon Fried<.. Seit acht Jahren
verheiratet. Zwei Kinder, Uschi, sieben, Manuel, fünf. Dazu ein
Streifenhörnchen: Woodo. Ehemann: Hubert Willinger, Dachdeckermeister. Alle
wohnhaft in der Stifterstraße Nr. 14, Tür B. Lisbeths Größe: 1,74 Meter.
Gewicht...« Hier gönnte sich Paula eine dramaturgische Pause. »Gewicht: 72 Kilogramm.«
- »Gar nicht so dick«, murmelte Max. »Und schaut auch gar nicht so übel aus«,
erwiderte Paula. »Wieso weißt du das?«, fragte Max. »Ich halte ein Foto von
ihr in der Hand«, sagte Paula.
Wie
dieses? Endlich konnte sie von ihrer Recherche erzählen. Also: In der
Volksschule nach dem früheren Direktor gefragt. Den Direktor nach alten
Lehrern gefragt. Die Lehrer nach einem auffallend fettleibigen Mädchen des
Jahrgangs gefragt. Ergebnis: Lisbeth »Sissi« Unger. Eine Dickere gab es nie
wieder.
Fortsetzung:
Auf einer Polizeiwachstube »den Charme spielen lassen« und Einsicht in die
Meldelisten bekommen. Von Lisbeth Unger auf Lisbeth Willinger und die neue
Anschrift gestoßen. Telefonnummer ausfindig gemacht. »Und einfach angerufen«,
sagte sie. »Und was gesagt?«, fragte Max.
Nun, Paula
war von der Lotteriegesellschaft und hatte eine erfreuliche Nachricht. Lisbeth Willinger
bedauerte: Sie spielte nicht Lotto, auch nicht ihr Mann, und ihre Kinder waren
noch zu klein. »Das wissen wir«, meinte Paula. »Darum würden wir Sie gerne mit
einem schönen Werbegeschenk auf den Geschmack bringen.« Leider durfte Paula
nicht verraten, was es war. Das Geschenk würde Frau Willinger mit Erlaubnis in
den nächsten Tagen zugestellt werden. »Nur eine kleine Bitte«, sagte Paula:
Intern wolle man eine Kartei der Beschenkten anlegen. »Und da brauchten wir ein
Foto von Ihnen.« - »Darf es auch von meinem Mann sein?«, fragte Lisbeth. Nein,
das ginge nicht. Männer hätte man schon zu viele in der Kartei. »Na
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