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Glattauer, Daniel

Glattauer, Daniel

Titel: Glattauer, Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Weihnachtshund
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Ihre
langen Wimpern? - Ja, sehr! (Zwei kurze, kräftige, kehlige Laute.) Die Art,
wie sie ihre Wange am Kopfpolster rieb? - Ja, sehr. Wie sie sich im Schlaf mit
dem kleinen Finger auf der Nase kratzte? - Ja, sehr. Wie sie schluckte und
atmete und seufzte? - Ja, sehr. Roch sie gut? - Ja, sehr. Wonach? - Konnte er
nicht sagen, jedenfalls nicht nach Wildbeuschel. (Gähnen.)
    Wie war
es, als sie aufwachte? - Schööööön. (Kaffeebraune Glaswürfelaugen nehmen
vorübergehend Herzformen an.) Hatte sie den wunderschönsten verschlafenen
Blick, den Kurt jemals gesehen hatte? - Ja, ja, ja, den hatte sie, ohne
Zweifel! (Drei kurze, kräftige, kehlige Laute.)
    Kommen wir
nun zu der allerwichtigsten Frage: »Kurt, wollen Sie diese Frau, die neben
Ihnen in oben beschriebener beispiellos anmutiger Weise eine Nacht verbracht
hat, zu Ihrem anvertrauten Frauerl nehmen, so sagen Sie: Ja.« - Kurt antwortete
mit einem schnellen, kurzen, kräftigen, kehligen Laut. »Verstehe ich Sie
richtig? Wollen Sie auf die Dienste Ihres bisherigen, Ihnen treu verpflichteten
Herrls, das Ihnen Hunderte liebevolle Zeilen gewidmet hat, zu Gunsten des neuen
Frauerls verzichten?« - Extrem lang gezogener hoher Laut. Wollte er absolut
nicht! »Kurt, wollen Sie alle beide haben?« - Drei kurze, kräftige, kehlige
Laute. Das war eindeutig. »Wollt ihr drei zusammen leben?« - JAAAAAAAAAAAAAAAA! Kurt richtete sich auf und
balsamierte mir mit seiner fettflüssigen Zunge dankbar den Kehlkopf ein.
    Liebe
Tierfreunde, liebe Hundeliebhaber, liebe Deutsch-Drahthaar-Verbündete, damit
sind wir am Ende unserer Geschichte. Schnauzbussi von Kurt. Weihnachtsgrüße von
Herrl Max.
     
    Katrin
konnte nicht einschlafen. Sie hatte mit dem Mann, dem küssen nicht guttat, noch
eine Rechnung offen - eine Reinigungsrechnung. Warum rief er sie nicht an?
Warum musste sie um Mitternacht selbst zum Telefon greifen? Musste sie ihn
wirklich fragen, ob sie ihm die Reinigungsrechnung schicken sollte oder ob er
sie sich holen würde? War das notwendig? Warum zwang er sie dazu? Warum rührte
er sich nicht?
    Sie legte
den Hörer auf die Gabel zurück, warf ihren Computer an und sah sofort seine
Mitteilung. Er schrieb ihr: »Liebe Katrin, diese Geschichte ist für dich. Ich
gebe zu, sie ist doof. Aber sie kommt von Herzen. Gute Nacht, Max.« Absatz.
Dann: »Treue Augenblicke, Teil 84. Kurt erzählt eine Bettgeschichte ...«
    Katrin las
sie dreimal. Dann druckte sie sie aus und las sie noch zweimal. Dann legte sie
das Papier neben sich aufs Bett, dorthin, wo jüngst die Leberkässemmel gelegen
hatte. Nach etwa einer Stunde machte sie Licht und las die Geschichte noch
einmal. Dann drehte sie das Licht ab und schlief ein. Nach etwa einer halben
Stunde (oder nach einer Stunde oder nach zwei Stunden) wachte sie auf und
machte Licht. Sie hatte den genauen Wortlaut der Passage mit dem »verschlafenen
Blick« vergessen. Dann drehte sie das Licht ab und schlief ein. Zwei oder drei
Stunden später wachte sie auf, machte Licht, ging zum Computer und schrieb Max
eine kurze E-Mail. Sie lautete: »Ich will mit dir schlafen und neben dir
einschlafen.« Dann ging sie ins Bett, drehte das Licht aus und schlief ein.
     
    19.12.
     
    Ihr »Ich
will mit dir schlafen und neben dir einschlafen« erregte und irritierte Max.
Die Erregung bezog sich auf den ersten Teil und war das kleinere Übel, nein,
sie war kein Übel, sie war das Gegenteil eines Übels. Sie war so heftig wie der
Föhnsturm, der sich seit Stunden in die Fensterscheiben kniete - aber etwa 130
Grad Celsius wärmer. Und diese Hitze kam in Wellen, stieg ganz plötzlich in ihm
hoch, zog rasch wieder ab und schwoll neuerlich an.
    Er stellte
sich vor, wie Katrin am Türstock lehnte, wie sie ihm einen jener Blicke zuwarf,
die sofort entschieden, was folgen musste, und wie sie dann sagte: »Ich will
mit dir schlafen.« Und er stellte sich vor, dass sie dabei einen ihrer Knöpfe
öffnete, egal welchen. (Also gut: Nicht egal welchen! Zum Beispiel nicht einen
ihrer Ärmel.) Es ging ihm dabei um die Drehbewegung ihrer Finger beim Knopföffnen,
um das spielerische Signal der Bereitschaft, um das Vorher (Knopf zu) und das
Nachher (Knopf offen), was sie ihm damit sagen wollte, wie sich ihr Blick dazu
veränderte.
    Und dann
stellte er sich der Reihe nach vor, wie alles passierte. Es dauerte Stunden,
was sich da in ein Sekundenkonzentrat seiner Phantasie drängte. Die
Hitzewellen in ihm gaben sich die Türklinken in die Hand. Und: Es war keiner
dabei, kein

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