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Glattauer, Daniel

Glattauer, Daniel

Titel: Glattauer, Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Weihnachtshund
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schön.
Aber Sie versprechen mir, dass das Foto nirgendwo veröffentlicht wird«,
forderte Lisbeth. Versprochen. Tags darauf: Foto erhalten.
    »Paula, du
bist ...« - »Ich weiß«, sagte sie. »Und du lass dir ein gutes Werbegeschenk für
Lisbeth einfallen.« - Max schwieg. »Und morgen Abend kommst du zu mir, und wir
studieren das Foto.« - Max schluckte. »Samuel fährt morgen nämlich wieder auf
Dienstreise.« - Max schwieg. »Wir beide sind also allein.« - Max schluckte.
     
    20.12.
     
    In der
Früh lag Max nicht neben Katrin. Das war eine große Enttäuschung. (Auch Kurt
lag nicht neben ihr, das war eine kleine bis keine Enttäuschung.) Sie hätte
schwören können, dass Max neben ihr lag. Sie hatte es ... nein, das war mehr
als ein Traum. Das war eines der nächtlichen Erlebnisse, an denen man
festhielt, weil sie logisch, vernünftig, in sich geschlossen waren. Aber zum
dauerhaften Festhalten fehlte neben ihr jetzt Max.
    Der Wecker
hatte getan, was er tun musste. Er erlaubte ja keine Übergänge, er duldete
keine Fristen. Es war 7 Uhr. Katrin konnte noch nicht denken. Sie konnte daher
noch nicht wissen, warum Max nicht neben ihr lag. Sie musste ihn persönlich
fragen, warum er es nicht tat. Vielleicht hatte er eine einleuchtende
Erklärung. Sie konnte sich noch nicht die Zähne putzen. Sie konnte sich noch
nicht den Schlaf aus den Augen reiben. Sie nahm das Telefon und wählte seine
Nummer. (Die kannte sie selbst im noch nicht aus den Augen geriebenen Schlaf.)
Als er abhob, wachte sie auf und ließ vor Schreck den Hörer fallen. Es war Donnerstag
vor Weihnachten, ihr letzter Arbeitstag. Ihr ging es nicht besonders gut. Ihr
fehlte die Balance. Sie fühlte zu viel und spürte zu wenig.
     
    Kurt lag
unter seinem Sessel und schlief, als das Telefon läutete. Max ging
normalerweise nicht hin, wenn der Tag noch nicht angebrochen war. Aber die
Anruferin konnte Katrin sein. Und obwohl sich niemand meldete, obwohl das
Gespräch beendet war, bevor es anfing, war es Katrin. Die Technik der
Kommunikation war ja so weit fortgeschritten, dass man in Zahlen ablesen
konnte, wer gerade nicht (oder nur beinahe) mit einem sprechen wollte.
    Max rief
sofort zurück und sagte: »Guten Morgen.« Schlagfertig wie sie war, erwiderte
sie: »Guten Morgen.« Danach entstand eine Pause. Die Standpunkte waren abgeklärt.
    Telefonieren
lernt man von klein auf oder nie. Max hatte diesbezüglich eine raue Kindheit
hinter sich. Die Großeltern lebten in Helsinki. Das hieß: Telefonieren mit
oder aus Finnland war an sich zu teuer, aber es war die einzige Verbindung
zwischen Eltern und Großeltern, die innerhalb eines Tages hergestellt werden
konnte.
    Max musste
drei Millimeter neben dem Hörer stehen, um ihn auch einmal zum Ohr zu kriegen,
wenn Helsinki in der Leitung lag. Und er durfte nicht länger als drei Zehntel
Sekunden brauchen, um »Hallo Oma, hallo Opa« zu sagen. Um Zeit (und Geld) zu
sparen, sagte er »Hallomahallopa!« Bei jedem dritten dieser Gespräche kam noch
ein Rauschen, das »Hallo Maxiburli« heißen sollte, zurück. Dann war die
Verbindung unterbrochen. Oder der Hörer war ihm entrissen worden.
    Andere
Telefonkontakte als mit Oma und Opa in Helsinki gab es nicht. Die Rechnung war
nach Ansicht der Vaters zu hoch für die Perversion, mit jemandem fernmündlich
zu korrespondieren, der in der gleichen Stadt lebte; den konnte man ja auch
besuchen. Strengstens untersagt war Max die ganz besondere Perversion, am
Nachmittag mit Schulfreunden zu telefonieren, die er noch wenige Stunden zuvor
persönlich hatte antreffen und ansprechen können. Da Max praktisch nie
telefonieren durfte, wurde er auch fast nie angerufen. Und wenn ihn einmal ein Gesprach
erwischte, dann verfiel er in die »Hallomahallopa«-Hektik und konnte weder
Gedanken fassen noch Worte finden.
    Mit den
Jahren lernte er, die Verbindung länger als ein paar Sekunden
aufrechtzuerhalten. Mit geübten Partnern konnte er mitunter sogar hübsch ein
paar Worte wechseln. Zum Plaudern reichte es nie. Und wenn einmal eine
Sprechpause eingekehrt war, hörte er die Zähluhr ticken und brachte kein
vernünftiges Wort mehr heraus.
    So gesehen
war sein: »Hast du mich gerade angerufen?«, mit dem er die Schweigeminute
beendete, gar nicht schlecht. Leider antwortete Katrin schlaftrunken: »Nein,
wieso?« - »Weil deine Nummer erschienen ist«, erwiderte er recht spontan. »Ah
so«, sagte sie. »Verzeihung, da muss ich mich dann verwählt haben.« Er
überhörte ihren

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