Glattauer, Daniel
lyrischen Text des Inhalts,
dass ihr Freund sie gerade stehen gelassen hatte, weil sie zu oft fremdgegangen
war, dass sie jetzt ins Kloster gehen wollte und dass sie sich mit dieser
exemplarischen Nacktaufnahme am Strand von Malibu von allen Männern und
Gelüsten der Welt für immer verabschiedete.
Am späten
Nachmittag fehlte ihm nur noch die Hundekolumne. Kurt lag unter seinem Sessel
und schlief womit er zum Inhalt wie üblich nichts beitragen konnte. Max hatte
keine Lust mehr, an etwas anderes als an Katrin zu denken. Er wollte mit ihr
spontan sieben Kinder haben, lauter Mädchen, die alle so aussahen wie sie und
die jetzt alle auf seinem Schoß saßen und siebenstimmig »Guter Mond, du gehst
so stille« sangen - achtstimmig, er selbst sang den Kontrabass.
Als das
Lied gedanklich ausgesungen war, begann er zu schreiben. Es entstand eine
Geschichte, die von den Fingern und nicht vom Kopf verfasst wurde, in der
nicht eine erlebte Episode nach geeigneten Worten der Vermittlung verlangt
hatte, sondern zuerst die Worte gesetzt wurden; in ihnen begann die Phantasie
zu blühen und daraus ergab sich schließlich eine Art Handlung. Für Leser, die
an das Faktische, an das Naturwissenschaftliche von Tiergeschichten glaubten,
waren Texte dieser Art boshaft und unzumutbar, wusste er. Zum Glück hatte
»Leben auf vier Pfoten« keine Leser. Deshalb schrieb er die Legende für sich
und Katrin. Auf diese Weise verbrachten sie einige innige Minuten miteinander.
TREUE
AUGENBLICKE, Teil 84
Titel: Kurt
erzählt eine Bettgeschichte
Text:
Hallo liebe Tierfreunde, liebe Hundeliebhaber, liebe Deutsch-Drahthaar-Verbündete.
Heute muss ich Ihnen eine ganz erstaunliche Geschichte erzählen. Kurt hat eine
Nacht in einem fremden Bett verbracht, und in was für einem Bett!
Die
Vorgeschichte war diese: Wir waren bei einer wunderschönen Frau eingeladen,
wahrscheinlich war es die schönste Frau, die es an diesem Abend auf der Welt
gab. Bei ihrem Anblick wussten wir beide nicht, wie uns geschah. Kurt sah sie
und war sofort verliebt. Bei mir dauerte es ein paar Sekunden länger. (Menschen
haben komplexere Gehirnfunktionen als Hunde.) Wenn sie ihn streichelte, wurde
Kurt rot im Gesicht (und dankte dem Hundegott, dass man das unter seinem
braunen Fell nicht bemerkte) und die Drahthaare standen voll elektrisiert in
alle Richtungen. Wenn sie mich streichelte ... so war das leider nur ein
kühner Wunschgedanke. Ich hatte einen hundsmiserablen Tag erwischt und musste
ihre Wohnung bald wieder verlassen. Kurt durfte länger bleiben. Er durfte
neben ihr im Bett übernachten. Er war der glücklichste Deutsch-Drahthaar-Rüde
der Welt.
Am nächsten
Tag, als ich ihn wieder in Empfang nahm, war er verändert. Er war um mindestens
drei Jahre jünger und agiler geworden. Er sprang und spielte und bellte und
kläffte, dass es eine Freude war (und weit darüber hinaus). Ich durchschaute
seinen seelischen Zustand bald: Seine kaffeebraunen Glaswürfelaugen waren mit
einem sanften Schleier überzogen, in welchem kleine goldene Herzen auf und ab
tanzten.
Nun wissen
Sie, liebe Tierfreunde, liebe Hundeliebhaber, liebe
Deutsch-Drahthaar-Verbündete, dass es Möglichkeiten gibt, mit unseren
Lieblingen in Gesprächskontakt zu treten. Wir werfen ihnen Fragen hin und sie
antworten uns, indem sie bellen, und in der Art, wie sie es tun.
Sie werden
sich vorstellen können, dass mich an diesem Tag vor allem eine Frage brennend
interessierte: Wie war es neben dieser wunderschönen Frau im Bett? Kurt ist zum
Glück nicht der Typ Hund, der Geheimnisse für sich behalten kann, wenn sie
einmal eine so hohe Stufe der Emotionalität erreicht haben. Ich lud ihn zu
einem Kreuzverhör auf meine Sitzgarnitur ein. Er nahm an, wählte eine
bequem-schlampige Hockstellung, legte seinen Kopf auf meine Schulter und stand
mir bereitwillig Rede und Antwort.
Konnte er
neben dieser Frau überhaupt eine Minute schlafen? - Nein. (Lang gezogener hoher
Laut.) Musste er sie die ganze Nacht beobachten und bewachen? - Ja, das musste
er. (Kurzer, kräftiger, kehliger Laut.) Was hatte sie an? War es ein weißes
Nachthemd? - Ja. Durchsichtig? - Wusste er nicht, war ihm auch egal. (Kein
Geräusch.) Hatte es Verzierungen? - Ja. Kleine Kätzchen? - Nein. Gelbe Blumen,
vielleicht Sonnenblumen? - Eher. (Kurzer, schwacher, kehliger Laut.)
Wie lag
sie? Auf dem Rücken? - Nein. Auf dem Bauch? - Ja. Kopf zur Seite? - Ja. Zu
seiner Seite? - Selbstverständlich. Was gefiel ihm besonders an ihr?
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