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Glattauer, Daniel

Glattauer, Daniel

Titel: Glattauer, Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Weihnachtshund
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daheimgelassen und das Lippenfoto
mitgenommen, vermutlich als Andenken an sein perverses Herrl, dachte Katrin.
Das Bild war bis zur Unkenntlichkeit zerknüllt und steckte, gut abgeschirmt von
Schnauzbarthaaren, in seiner rechten Lefze. Dort schob er es wie eine kugelige
Zahnradbahn den Kiefer vor und zurück. Das sah nach US-Baseball-mäßigem
Kaugummikauen aus, welches ihm gut zu Gesichte stand und den debilen Blick der
zugekniffenen Augen rechtfertigte. Es war zudem ein Spiel, das sich auch im
Halbschlaf durchführen ließ. Kurt hatte nach seinen starken Auftritten am
Vortag wieder zur Normalform, zu seiner Seele eins, gefunden. Auch er war
psychisch gestört, wusste Katrin. Kein Wunder bei diesem Herrl.
    Wie es
Katrin ging? Danke, schlecht. So schlecht, dass sie es daheim nicht lange
aushielt. Schlecht genug, um die letzten Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Kurt
schlich mit.
    Er hatte
das in seinen Besitz übergegangene zerknüllte Lippenfoto dabei. Katrin
beschloss, ihm eine dazu passende Baseball-Kappe zu kaufen. Die fünfte, die sie
probierten, gefiel ihm. Zumindest warf er sie nicht ab. Sie war schwarz und
enthielt den giftgrünen Schriftzug »Heils Beils«. Entweder war Kurt ein geheimer
Rocker oder er wollte einfach keine Kappe mehr probieren.
    Für Mutter
fand sich ein rosa Nachthemd. Sie besaß zwar bereits zwei rosa Nachthemden,
aber das eine war zu altrosa, das andere zu neurosa. Und dieses hier traf exakt
die rosa Mitte. Außerdem: Nachthemden konnte man gar nicht genug haben, dachte
Katrin. Sie freute sich schon, diesen Satz aus dem Munde ihres Vaters zu hören.
    Für Vater
hatte sie an eine Wanduhr gedacht, an eine Kuckucksuhr für militante
Tiergegner. Die Verkäuferin des größten Fachgeschäfts der Stadt stellte ihr
drei Modelle tickender Holzkästen auf das Pult, aus denen, mit Horngebläse
untermalt, zu jeder vollen Stunde mit Schrotgewehren bewaffnete Jäger ins
Freie marschierten und Schüsse abfeuerten (um 3 Uhr drei Schüsse, um 7 Uhr
sieben und so weiter). Beim Gustieren merkte Katrin, dass ihr drei Dinge
fehlten: erstens der Jagdinstinkt für Uhren, zweitens die Leine in der Hand,
drittens der Hund an der Leine.
    Die Suche,
an der auch das Personal der Wanduhrenabteilung teilnahm, konnte nach einer
halben Stunde eingestellt werden. Kurt nieste und verriet dadurch sein Versteck.
Er hatte sich durch einen offenen Türspalt in einen dunklen Uhrenlagerraum
zurückgezogen. Dort saß er, wie eigens dafür abgerichtet, in stiller Andacht vor
einem finsteren Kasten. Seine Augen waren weit aufgerissen und fixierten in
huldigender Weise einen auf der Kommode befindlichen Gegenstand. Katrin
schaltete das Licht an und sah die Wanduhr. Sie kam ihr bekannt vor, sehr
bekannt. Es war eine griechische Kuckucksuhr ohne Kuckuck, stattdessen gefüllt
mit antiken Helden. Es war die gleiche Uhr, die bei Max an der Wand hing. Kurt
musste sie wiedererkannt haben. So viel Klugheit im Umgang mit Einrichtungsgegenständen
hätte sie ihm nicht zugetraut.
    Beim
Verlassen des Raumes passierte etwas Eigenartiges: Kurt wollte nicht. Er
bestand darauf, hocken zu bleiben und auf die Uhr zu starren. Es war anders,
als wenn er schlief und deshalb nicht zu bewegen war, seinen Platz zu
verlassen. In so einem Fall ließ er sich zumindest wegzerren oder
wegschleifen. Aber diesmal: keine Chance. Er saß da wie festbetoniert. Er
musste sämtliche seiner körperlichen und mentalen Kräfte zusammengelegt und
mit hundert multipliziert haben - er rührte sich keinen Millimeter vom Fleck.
    Die Chefin
tippte schon auf die fünfte Wanduhr, um aufzuzeigen, dass die Sperrstunde
angebrochen war. Zur Bestätigung schnellten sämtliche Kuckucks und Jäger aus
ihren Häusern und schrien siebenmal Kuckuck oder schossen siebenmal dämlich mit
ihren Gewehren. Auch die griechischen Helden der Wanduhr im Lagerraum traten
nun heraus. Kurt saß steif davor, brachte seinen Kopf in leichte Schräglage und
ließ ihn in dieser Stellung einrasten. Seine würfelförmigen Augen wirkten noch
größer als sonst, die Pupillen hatten sich auf doppelten Umfang erweitert. Kurt
war eine Hundesäule, sein eigenes, in perfektionierter Bettel-Stellung
erstarrtes Denkmal.
    Die Helden
der Wanduhr summten nun eine griechische Melodie und schlugen mit ihren
Trommeln die volle Stunde ein. Kurt schien auf diese Zeremonie gewartet zu haben.
Er gab nun fast unhörbar leise liturgische Winsel-Geräusche von sich. Sein Kopf
begann leichte Kreise zu drehen, ehe sich das Haupt

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