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Glattauer, Daniel

Glattauer, Daniel

Titel: Glattauer, Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Weihnachtshund
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Dörrie, Mailänder Mode, »Kurt erzählt eine Bettgeschichte«,
Debussy, Internet und Telefon: Seele eins. Wildbeuschel? - Danke, später:
Seele eins. Zeit für die Nachtruhe? - Jawohl, sofort: Seele eins.
    Als sie
einschlief, lag er neben ihr auf einem hundgerecht derangierten und mit
Tramper-idyllischem Bahnhofsgrind einbalsamierten roten Uralt-Schlafsack und
ließ seine Seele eins baumeln. Als sie aufwachte, stand er auf der anderen
Seite neben ihr, rieb sich die Nase an ihrem Kinn, hechelte wie drei
Schlittenhunde im Kanon nach der Arbeit und erzählte ihr die Geschichte vom
Hund, um den sich in der Früh keiner gekümmert hatte und der deshalb begonnen
hatte, aus den Holzmöbeln Zahnstocher herzustellen. Dazu quietschte er
abwechselnd mit seiner Leberkäsesemmel und bellte wie einer, der innerhalb von
ein paar Minuten eine lautlose Woche ungeschehen machen wollte. - Das war seine
verschüttet geglaubte Seele zwei.
    Kurt ließ
Seele zwei nicht zum idealsten aller Zeitpunkte sprechen. Denn die
Schulmeister-Hofmeisters standen im Sinne des vorgezogenen Christkindes so gut
wie vor der Türe. Es sollte ein gemeinsames familiäres Frühstück werden, in
dem sich Katrin von der jahrzehntelangen Besorgniserregung ihrer Eltern
verabschieden wollte. Sie hatte vor, ihnen anlässlich ihres bevorstehenden 30.
Geburtstages mitzuteilen, dass es ihr gut ging, dass sie glücklich war, dass
sie auf eine gelungene Kindheit und eine unverkrampfte Jugendzeit
zurückblickte. Dass sie es in einer süßen Junggesellinnenwohnung zu einem
schönen warmen Bett für sich alleine gebracht hatte. Dass sich ihre lesbische
Veranlagung darin erschöpfte, lieber in den Armen von Kate Winslet als in jenen
Leonardo di Caprios auf der Titanic untergehen zu wollen. Dass es sich mit
Männern so verhalte: Sie mochte sie, aber nicht auf Dauer und nicht daheim.
Sollte doch einmal einer hängen bleiben - gut. Sollte keiner hängen bleiben -
mindestens genauso gut.
    Und, ja,
auch das wollte sie ihnen gerne verraten: Es gab da schon jemanden, einen
gewissen Max, den fand sie sehr interessant, okay (Mutter wusste ja bereits
mehr davon), in ihn war sie sogar ein wenig verliebt. Möglicherweise würde sich
schon in den nächsten Monaten, spätestens aber wohl im Sommer herausstellen, ob
er vielleicht einer wäre, bei dem sie sich eventuell vorstellen könnte, dass
sich der Fall einstellen könnte, dass ... Und dann würden sie ihn selbstverständlich
auch bald kennen lernen, zum Beispiel nächste Weihnachten. Ja, so war es. Und
darum: frohe Weihnachten auch für heuer!
    Apropos
und bei dieser Gelegenheit gleich definitiv: Den Heiligen Abend wollte sie
diesmal mit Kurt verbringen. Wer Kurt im Detail war, das wollte sie ihnen noch
rasch zeigen. Sie hätte sie dann zum Bett geführt und da wäre er darauf gelegen,
ganz Seele eins. Und Katrin hätte den Zeigefinger senkrecht auf die Lippen
gehalten und hätte »Pssst« gesagt. Dem Vater wäre mit einem Herzschlag (Kurts)
bewusst geworden, dass auch Hunde Geschöpfe Gottes waren und er hätte begonnen,
ihnen zu verzeihen und sein Wäschetrockner-Trauma aufzuarbeiten. Und Mutter
hätte vermutlich um ein Taschentuch gebeten. Sie wäre vom Gefühl gepackt
gewesen, soeben Großmutter geworden zu sein. Das hätte dann so eine Art
Weihnachtswunder dargestellt, in dessen Banne die Eltern verklärt nach Hause
geschritten wären.
    Aber Kurt
ließ unbarmherzig Seele zwei baumeln und kläffte gerade grausam seine unter dem
Küchenkasten verschanzte Leberkässemmel nieder, als die Eltern mit einem
Klingelzeichen ankamen. Sie waren übrigens zu dritt. Sie hatten Aurelius
mitgebracht.
     
    Max kam
wie vereinbart zu Mittag, um Kurt abzuholen. Er hatte ein Lippenfoto von
Lisbeth Willinger bei sich - für alle Fälle. Es steckte in der rechten
Gesäßtasche seiner Jeans. Er hätte es während der Umarmung mit der linken Hand
herausgezogen und hinter Katrin so positioniert, dass er über ihren Kopf hinweg
auf die Lippen hätte sehen und dort mit den Augen Kreise hätte ziehen können.
Wäre er während des Küssens beim kreisenden Blick nach oben erwischt worden,
hätte dies für Katrin nach »Gott ist das schön, dem Himmel sei Dank« ausgesehen
und sie hätte keinen Verdacht geschöpft. War der Kuss dann beendet, hätte er
ihr Gesicht in seiner Brust vergraben, um das Foto unbemerkt wieder zu
verstauen. Schwieriger war dann schon der Kuss in liegender Stellung. Aber so
weit musste Max jetzt wirklich noch nicht

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