Glatze mit Sommersprossen
hocherhobener Nase schnüffelnd kam er hinter dem Sofa hervor. Ich holte ein Stück Knochen aus dem Beutel und hielt es ihm hin.
„Bedanke dich bei Philip!“ sagte ich, und folgsam drehte Pinsel eine enge Runde um die karierten Jungenbeine, bevor er der Ofenecke zustrebte.
Sherlock Holmes begann sich wieder in Jojo zu verwandeln, nicht ohne Geplapper, versteht sich. Und so erfuhr ich auch, daß seine Großmutter keine Ahnung von dem Kleiderwechsel hatte.
Später, als wir unsere Gläser mit Hottentottenblut in den Händen hielten, rückte Jojo mit einem Vorschlag heraus: „Ich habe mir was ausgedacht. Es ist doch blöd, wenn ich auf der Reise immer, ,Herr Pfiff sage. Kann ich nicht Onkel Pfiff sagen?“
„Aber nein“, wehrte ich ab und zwinkerte ihm zu. „Onkel Pfiff klingt so nach Pfeife, wennschon, dennschon: Du wirst mich Onkel Balduin nennen — oder noch besser: Onkel Baldi.“ Jojo kicherte. „Baldi klingt lustig. Tante Magret hatte mal einen Papagei, der hieß Baldi. Aber weil er mit einemmal anfing, alle Leute zu beschimpfen, hat sie ihn wieder weggegeben.“ Er hatte dabei so ein freches Grinsen im Gesicht, daß mir ein schrecklicher Verdacht kam.
„Hast du deine Tante Magret oft besucht?“
Er nickte. „Warum?“
„Ich kombiniere, daß du der Übeltäter warst, der dem Papagei die Schimpfworte beigebracht hat.“
Philip tat unschuldig wie frisch ausgedrückte Zahnpasta.
„Er hat eben nicht alles nachreden wollen.“
„Du hättest ihm ja ein paar Sprüche beibringen können. Wie zum Beispiel ,Grüß Gott, tritt ein, bring Glück herein!’ “
Er hob die Schultern. „Immer wieder habe ich ihm vorgeredet: Sag mal ,Guten Morgen, liebes Tantchen!’, aber er hat überhaupt nicht reagiert. Dann habe ich mal aus Zufall zu ihm gesagt: .Guten Morgen, alte Rübe!’, das hat er sofort nachgeredet.“
Ich beschloß, das Thema zu wechseln, denn ich entdeckte mich dabei, daß mir seine Schilderungen Spaß bereiteten, und das, heiliges Kanonenröhrchen, obwohl ich doch ein seriöser Meisterdetektiv war.
„Also“, sagte ich, „ab sofort üben wir bereits für die neue Rolle. Du nennst mich Onkel Baldi, und ich nenne dich Jojo!“
„Einverstanden! Erzählst du mir jetzt mal einen richtigen großen Fall, wo du Verbrecher gejagt hast, Onkel Baldi?!“ Ich mußte mich räuspern. Also dieser metergroße Knirps hatte es wirklich in sich. Er duzte mich mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte er sein ganzes Leben nichts anderes getan.
„Geschichten, Jojo, kann ich dir auf der Reise erzählen. Da haben wir genügend Zeit. Wir sollten lieber beratschlagen, was wir uns für den Zeitvertreib einpacken.“
„Ich habe schon alles beisammen!“ erwiderte Jojo leichthin und schlürfte geräuschvoll einen Schluck Hottentottenblut.
„Was hast du beisammen?“ erkundigte ich mich mißtrauisch.
„Na, Kleinigkeiten eben. Spritzpistole, Blasrohr, Erbsen, Klebstoff.“ Ich schluckte meine Beklemmung hinunter.
„An solchen Zeitvertreib hatte ich eigentlich weniger gedacht. Wolltest du nicht als Detektiv reisen?“
„Und was macht man da?“
„Man beobachtet, Jojo. Man beobachtet die Menschen, die um einen herum sind. Wie sie gehen, wie sie stehen, wie sie gucken, essen, trinken, rauchen und wie sie sich unterhalten.“
„Dann packe ich eben noch ein großes Buch ein.“
„Wozu?“
„Zum Aufschreiben von den Beobachtungen. Und wenn dann was passiert ist, braucht man nur nachzusehen, was man aufgeschrieben hat.“
„Hm...“ Ich überlegte. Das war in jedem Fall immer noch besser, als Passagiere mit Spritzpistole und Blasrohr zu attackieren. Wie konnte ich wissen, daß ich irrte... Heiliges Kanonenröhrchen, ein Irrtum, so hoch wie der Eiffelturm.
„Eine gute Idee, Jojo. Richte dir ein Augenzeugenbuch ein.“
Er sah mich groß an. „So nennt man das?“
„Ich nenne es so, weil du ja dein eigener Augenzeuge bist.“
Er nickte lebhaft, und seine Augen strahlten mich an. „Du wirst sehen, Onkel Baldi, ich werde der beste Augenzeuge sein, den es auf dem Schiff gibt...“
Das Abenteuer beginnt
Die nächsten Tage verbrachte ich mit den verschiedensten Vorbereitungen. Dazu gehörte das Abbestellen der Zeitung für eine Woche und ein Besuch bei Frau Steckel, die ich bat, Pinsel wieder einmal in Pension zu nehmen. Glücklicherweise empfand Pinsel für sie Zuneigung — was natürlich am Verwöhnen lag so daß ich mir keine Gewissensbisse machen mußte.
Die wichtigste Vorbereitung
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