Glatze mit Sommersprossen
seinem Gepäck auch Sperrhaken und Plastikscheiben (aus dem Werkkasten seines Vaters!) zum Öffnen von Türen und Schlössern mit sich führte, wußte ich nichts.
Jojo blieb auf seinem Beobachtungsposten, bis er sicher war, daß der kleine Zahnarzt, seine Schwester und ich tatsächlich nach Athen abgerauscht waren. Dabei jedoch entging ihm zweierlei: Die Rückkehr von Lothar und Hilde Schaller an Bord der APHRODITE und — deren Schatten Kammlechner, dessen Feuerzeug noch in meiner Tasche steckte.
Pfeifend nahm Jojo Kurs auf unsere Kabine, holte aus dem einen seiner Koffer das „Einbrecherwerkzeug“ und machte sich, wiederum fröhlich pfeifend, auf den Weg zum Oberdeck. Sein Ziel war es, herauszufinden, wer sich wirklich hinter dem Namen Kammlechner versteckte. Er war versessen darauf, dieses Geheimnis zu lüften. Daß ihn nur ein alberner Zufall davor bewahrte, mit Herrn Kammlechner zusammenzuprallen, ahnte er nicht. Es lag an zwei sich unterhaltenden Damen, die im Durchgang standen, und an denen Herr Kammlechner hätte Vorbeigehen müssen. Da eine der Damen Schaller hieß, nahm Kammlechner einen anderen Weg.
Philip dagegen, nach erster Schrecksekunde, machte sich nichts aus dem Hindernis. Mit dreist-keckem Grinsen und frechem Geschnüffel (Frau Schaller roch wieder himmlisch stark!) schob er sich mittendurch.
„Tag, Frau Schaller!“ rief er und erntete dafür einen Blick, finster wie das Innere eines zugebundenen Sackes. Das letzte, was ihm vor Erreichen seines Zieles zu schaffen machte, war die Antwort auf die Frage: „Was mache ich, wenn er wirklich Kammlechner heißt?“
Der Erste-Klasse-Gang lag vor ihm. Leer! Niemand bemerkte so den Dreikäsehoch, der sich mit knallroten Ohren an der Tür der Einzelkabine zu schaffen machte.
Und beinah hätte sich Jojo vor Überraschung verschluckt, als er feststellen mußte, daß die Tür unverschlossen war. Sein erster entsetzter Gedanke: Er ist zurück! Wie der Blitz flitzte er davon.
Doch schon nach wenigen Schritten stoppte er wieder. War Herr Kammlechner wirklich da, dann hätte er die Geräusche an der Tür hören müssen. Fast eine Minute blieb er so stehen.
Als sich nichts Bedrohendes ereignete, kehrte er zurück und preßte eines seiner roten Ohren gegen die Tür. Nichts! Nicht mal Mückengähnen und Fliegenhusten war zu hören. Behutsam trat er ein...
Achtung, jetzt kommt’s! Zur gleichen Zeit huschte auch Herr Kammlechner in eine Kabine, die ihm nicht gehörte und in der er nichts zu suchen hatte. Nämlich in unsere.
Während er sich eilig und routiniert an die Durchsuchung machte, genoß Jojo, siebzig Meter Luftlinie entfernt, seinen Mut. Er nahm sich Zeit, sah sich zuerst um, ohne etwas anzufassen. Er erkannte ein Tonbandgerät, ein Fernglas und ein kleines Taschenradio. Ein Jackett hing über der Sessellehne, ein zweites lag auf dem Bett. Ein aufgeklappter Kofferdeckel gab den Blick frei auf Oberhemden, Krawatten und Taschentücher.
Besonders ein Gegenstand auf dem Tisch zog ihn wie magisch an: ein kopfähnliches Ei auf einem schmalen Sockel. Es war weiß und aus Styropor. Jojo tippte mit dem Finger leicht dagegen, so daß das eigenartige Gebilde ins Wackeln kam. Vorsichtig nahm er es auf, schüttelte es. Nein, selbst wenn es hohl war, versteckt war darin nichts.
„Vielleicht für seinen Hut“, murmelte er und stellte es zurück.
In diesem Augenblick verließ Herr Kammlechner unsere Kabine wieder.
Ein dickes, in Leder gebundenes Notizbuch erweckte Jojos Neugier. Es lag auf dem Bett neben dem Jackett. Ohne die Lage des Buches zu verändern, schlug er es auf. Das einzige, was er lesen konnte, waren die Zahlen. Alles andere, Schleifen, Punkte, Striche, Kringel, Bogen und sonstige Kraksel, blieben für ihn unentschlüsselbar. „Mist!!“ rief er enttäuscht.
Herr Kammlechner war noch zwei Minuten weit entfernt.
Jojo betrat das Bad. Die übliche Ausrüstung. Handbürste, Zahnbürste, ein elektrischer Rasierapparat, Flaschen, Seife, ein Schwamm und eine ganze Batterie komischer Bürsten. Hier fand sich sicher kein Hinweis auf Herrn Kammlechners wirkliche Identität.
Aber da war noch etwas... Eine bunte Tasche mit Reißverschluß auf dem Hocker neben der Badewanne. Er zog den Reißverschluß zurück. Zigaretten, einige Röhren mit Zigarren und ein silbernes Etui. Es trug die Initialen A. CH.
Ein paar Atemzüge lang kämpfte Philip gegen die Versuchung, dann siegte die Vernunft; er zog den Reißverschluß wieder zu, ohne vorher das Etui in
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