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Glatze mit Sommersprossen

Glatze mit Sommersprossen

Titel: Glatze mit Sommersprossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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gewann die Oberhand.
    Und, bei Zippeldick, dem Wütenden, es wurde wirklich langsam Zeit, daß er sich wieder bei mir meldete. Ich holte einmal mehr die Luft aus der großen Zehe hoch, als ich zu meiner Schimpf- und Raunzkanonade ansetzte.
    „Ich habe zehn Kilometer Schiff auf der Suche nach dir zurückgelegt, Bube!“ schnauzte ich. „Ich habe mindestens zwei weitere Kilo abgenommen, ich bin auf dem Weg zu großen runden Magengeschwüren und überlege mir in dieser Sekunde, ob ich dir den Frack aushauen soll!“
    Wenn ich ehrlich sein soll, so erwartete ich, heiliges Kanonenröhrchen, tiefe Zerknirschung, ein schlechtes Gewissen und den sichtbaren Ausdruck von Schuldbewußtsein bei Philip. Was aber lieferte er ab? Nach einem wilden Satz auf sein Bett sah er mich ungeheuer wichtig an und sagte:
    „Du wirst es nicht glauben, Onkel Baldi, man hat mich verfolgt!“
    Ich nickte. „Du hast recht!“
    „Was habe ich recht?“
    „Es heißt ,womit habe ich recht?’. Du hast recht damit, daß ich es nicht glaube!“
    Er machte seinen Eskimoschwur: „Ein grauhaariger Mann hat mich verfolgt! Und dir werden sich die Haare kringeln, wenn ich dir verrate, was der vorher gemacht hat.“
    „Und was wäre das?“ (Ich fragte aus reiner Routine, nicht etwa aus reiner Neugier!!!)
    „Er hat sich vor den Schallers versteckt. Aber dann bin ich ins Rutschen gekommen, und er hat mich gesehen!“
    „Und verfolgt!“ ergänzte ich mit der höhnischsten Miene, die mir gelang. Da wollte ich nun meinem Reisegefährten die Leviten lesen für zwei Stunden Sorge, und was tat ich statt dessen? Ich hörte mir sein Verfolgungsmärchen an. Aber damit sollte auf der Stelle Schluß sein:
    „Jetzt hör mir mal gut zu, du winziger Fliegenschreck...“ holte ich aus, doch bevor ich zur Fortsetzung kam, klopfte es. Zweimal hart und zackig. Und da ich gerade in der richtigen Stimmung war, bellte ich ebenso hart und zackig Richtung Kabinentür: „Jawoll und herein!“
    Die Tür öffnete sich, neben mir erklang ein unterdrücktes Geräusch, das Ähnlichkeit hatte mit einem Schreckensruf, und vor mir stand... vor mir stand ein Herr in mittleren Jahren. Die auffälligsten Merkmale an ihm waren die listigen Augen und der dichte graue Haarschopf.
    Er verbeugte sich, lächelte gewinnend und sagte: „Ich hoffe, ich störe Sie nicht allzusehr.“
    „Es geht, es geht“, lächelte ich zurück. „Erlauben Sie, daß ich mich vorstelle: Martin Kammlechner!“
    „Pfiff!“ gab ich zurück, denn ich bin ein höflicher Detektiv, obwohl ich keine Ahnung hatte, was ich mit dem Besucher anfangen sollte.
    „Ihr Sohn hat scheinbar noch immer Angst vor mir!“ Er zwinkerte Jojo zu. „Tut mir ehrlich leid, daß ich dich erschreckt habe!“
    „Er heißt Philip!“ stellte ich „meinen Sohn“ vor.
    „Ja, Herr Pfiff, das ist eigentlich der einzige Grund, warum ich Ihnen meine Aufwartung mache. Ich wollte sagen, daß ich es bedaure, Ihren Sohn durch Ungeschicktheit in Angst versetzt zu haben.“ Und wieder zwinkerte er Jojo zu. „Vielleicht ist es für dich ein Trost, zu wissen, daß du mich ebenso erschreckt hast!“
    „Aber Sie haben mich verfolgt!“ stellte Jojo fest, und es klang, ei das Däuschen, ganz schön unversöhnlich.
    „Oooooh“, lachte Herr Kammlechner, „da ist wohl die Phantasie ein bißchen mit dir durchgegangen. Ich habe meine Kabine im Oberdeck. Und das ist genau die Richtung, in der du davongestürmt bist.“
    „Bitte, nehmen Sie doch Platz. Im Sitzen läßt sich jedes Mißverständnis viel gemütlicher aus der Welt bringen.“
    Der Grauhaarige folgte meiner Aufforderung. Während er sich setzte, zog er ein Zigarrenetui aus der Tasche und hielt es mir hin. „Wie wär’s mit einer Friedenspfeife aus Havanna?“
    Zwei Dinge stellte ich fest: Er war Linkshänder, und er war mir nicht unsympathisch. Letzteres ließ mich auch zugreifen.
    Jojo allerdings dachte da drei Ecken anders. Nachdem er sich hinter mir in Sicherheit gebracht hatte, giftete er über meine rechte Schulter:
    „Sie haben mich verfolgt. Da können Sie noch soviel zwinkern. Und außerdem haben Sie sich vor den Schallers versteckt.“
    Herr Kammlechner ließ einen vollendeten Rauchkringel zur Decke steigen, dann drohte er mit dem Zeigefinger zu Jojo hin:
    „Das sind gefährliche Spuren, auf denen du dich bewegst. Aus irgendeinem Grund möchtest du in mir einen ganz gefährlichen Burschen sehen, was? Einer, der kleine Jungen verfolgt und der sich vor anderen versteckt.

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