Glatze mit Sommersprossen
als er hörte, daß der Grauhaarige zwar den Schlüssel herauszog, aber von innen nicht wieder verschloß. Das bedeutete, daß Jojo zum Zeitpunkt X ohne Hindernisse mit einem Satz durch die Tür schießen konnte. Im Augenblick atmete er ganz flach und lauschte den Geräuschen von jenseits des Sessels.
Herr Kammlechner entkleidete sich, daran konnte kein Zweifel bestehen. Und er tat es laut und schnaufend. Schuhe polterten in verschiedene Richtungen, ein Hemd kam auf den Sessel geflogen, hinter dem Jojo kauerte. Dem Hemd folgte die Hose, der Hose Strümpfe und Unterwäsche.
Und dann segelte noch etwas auf den Sessel, das heißt, es segelte über den Sessel hinweg. Es fiel Philip genau auf die Schultern, und um ein Haar hätte dieser einen Schreckensruf ausgestoßen. Was da von seiner linken Schulter herunterhing, war grau und strähnig, kitzelte seine Wange und roch nach Haarwasser. Ganz vorsichtig zog es Jojo herunter.
Wasser rauschte auf...
Mein Freund Philip schob seinen Kopf zur Seite und sah Herrn Kammlechner splitterfasernackt in der Wanne stehen, während das Wasser aus der Dusche über seinen Kopf perlte.
Kopf... ja. Aber was für einer? Einer, der Jojo bekannt vorkam, ein Kopf ohne Haare, dafür aber übersät mit Sommersprossen. In dieser Sekunde wußte er es endgültig: Vor ihm duschte der Mann, der in Ancona Herrn Schaller nicht aus den Augen ließ, der sein Augenzeugenbuch hatte verschwinden lassen und der sich Kammlechner nannte. Und dieser Kammlechner kehrte ihm den Rücken zu. Jojo richtete sich vorsichtig auf, quetschte sich geräuschlos am Sessel vorbei und balancierte seinen dreikäsehohen Körper zur Tür...
Als ich, Balduin Pfiff, enttäuscht, verschwitzt und durstig die Kabine betrat, glaubte ich, auf einen kopfwehkranken Jojo zu treffen, dem ich das ganze Malheur meines mißglückten Ausflugs in allen Einzelheiten erzählen konnte. Statt dessen sah ich ein leeres Bett, eine nur angelehnte Kleiderschranktür und auch sonst einiges, was mich stutzig werden ließ. Warum, zum Beispiel, stand mein „Köfferchen für kleine Reisen“ unten im Schrank, wo ich genau wußte, daß es gelegen hatte.
Doch wieder einmal lautete die allerwichtigste Frage: Wo steckte Jojo? Schweiß und Durst rückten in den Hintergrund. Und dann entdeckte ich unter Jojos Bett etwas, das alle meine Antennen zum Schwingen brachte: eine halbe Kopfschmerztablette. Das bedeutete, daß er aus einem ganz bestimmten Grund nicht mit nach Athen fahren wollte...
Oooh, Baldi, du Tropf, du schwerhöriges Mischbrot, du Oberknubbel, warum hast du die Warnungen von Großmutter Mallinger in den Wind geschlagen? Warum mußtest du tun, als seist du der Größte? Warum hat dich nicht schon die Mistkäfergeschichte auf den Rückzug gebracht?
Ich kam nicht mehr dazu, nach Antworten zu suchen. Jojo war zur Tür hereingehuscht. Mit großen, glänzenden Augen stand er vor mir und wunderte sich kein bißchen über meine Anwesenheit.
Statt dessen streckte er mir etwas entgegen, das verblüffende Ähnlichkeit mit einer Perücke besaß. Mit einer grauen Perücke, versteht sich. Und obwohl ich mehr als ahnte, wer der Eigentümer war, fragte ich streng: „Ein Skalp — woher?“
„Aus der ersten Klasse im Oberdeck!“ strahlte Jojo.
„Wo ist der Rest?“ fragte ich.
„Der sitzt in der Badewanne und hat eine Glatze mit Sommersprossen... Merkst du was, Onkel Baldi? Der Herr Kammlechner muß ein ganz großer Gangster sein. Der hat auch die Seiten aus meinem Augenzeugenbuch gerissen. Was machen wir jetzt?“
„Duschen!“ antwortete ich. „Warum hast du nicht abgeschlossen?“
Jojo stand da und überlegte: „Ich hab’s vergessen! Was machen wir nach dem Duschen?“
„Darüber denke ich unter dem Wasser nach.“
„Mensch...“ maulte Jojo.
„Schließ die Tür von innen ab!“
Jojo tat’s.
„Und jetzt gib mir den Schlüssel!“ Als auch das geschehen war, verschwand ich im Bad und schloß die Tür.
Jojo mußte seinen Mund ganz dicht am Holz (oder Schlüsselloch) haben. „Ich bin ein guter Detektiv, stimmt’s?“
„Stimmt!“
„Vielleicht sollten wir die Schallers vor Albert Christoph warnen, Onkel Baldi!“
„Wer ist Albert Christoph?“
„Der falsche Herr Kammlechner. Ich habe einen Briefumschlag in seiner Tasche gefunden
Ich stellte die Brause an und rief: „Also gut, gehen wir nachher zum Großangriff auf den Linkshänder Albert über!“
Des Rätsels Lösung
„Ich weiß aber noch mehr!“ hörte ich Jojo
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