Glaub an das Glueck, Annabelle
stürzte den Wein auf einmal hinunter, doch plötzlich schmeckte der köstliche Rioja bitter und schal. In der Tat hatte sie ihre Freiheit … seit vielen Jahren. Fast ihr ganzes Leben lang. Aber was war eigentlich der Unterschied zwischen Freiheit und Einsamkeit? Zwischen ungebunden und allein sein?
„Fühlen Sie sich nicht gut?“, fragte Stefano besorgt, als sie das Glas auf dem Tisch absetzte und die schmerzenden Schläfen mit den Fingerspitzen massierte.
„Ich glaube, ich habe zu viel Wein getrunken.“
„Ich begleite Sie zu Ihrem Schlafzimmer.“
„Nein!“ Das kam so laut und so entschieden heraus, dass Annabelle selbst erschrocken war. „Ich … ich meine, ich würde lieber noch ein wenig frische Luft schnappen.“
„Aber natürlich“, schwenkte er sofort um und stand auf. „Ich geleite Sie nach draußen.“
Wie benommen starrte sie auf den kräftigen braunen Unterarm, den er ihr als Stütze anbot. Nur zögerlich und so leicht wie möglich legte sie ihre Fingerspitzen darauf, dennoch war sie sich bei jedem Schritt seiner Wärme und Stärke sehr bewusst. Das Haus lag völlig im Dunkeln, und nichts rührte sich, als sie die große Eingangshalle durchquerten. Offensichtlich waren alle längst zu Bett gegangen. Sie waren völlig allein …
Nervös warf Annabelle ihrem Begleiter immer wieder schnelle Seitenblicke zu und musste ihre ganze Willenskraft aufbieten, um sich nicht von ihm loszureißen und wie ein ängstliches Tier zu fliehen. Voller Sehnsucht dachte sie an ihren Geländewagen in der Garage. Wenn sie jetzt aufbrach, konnte sie in weniger als siebzehn Stunden in London sein.
Sobald sie draußen auf der Terrasse standen, ließ sie Stefanos Arm los und musste einen erleichterten Seufzer unterdrücken. Dann lenkte der Sternenhimmel sie ab, und sie betrachtete in atemlosem Staunen die mondbeschienene Traumlandschaft um sich herum. Dies war wirklich ein magischer Ort.
Sie spürte den kühlen Wind über ihre erhitzte Haut streichen und sog ganz tief die reine, klare Nachtluft in die Lungen.
„Also ist es Moreira nicht gelungen, Sie zu verführen?“ Der Zauber war gebrochen. „Womit würde ein Mann denn Erfolg bei Ihnen haben, Annabelle?“
Wie in Trance trat sie an die Terrassenbrüstung und suchte Halt an dem kühlen Stein.
„Annabelle …“
Er war ihr so nah, dass sie seinen heißen Atem auf ihrem Nacken fühlte. Als sie versuchte, seitlich auszuweichen, spürte sie den kräftigen Druck seiner Hände auf ihren Schultern. Behutsam drehte Stefano sie um, sodass Annabelle gezwungen war, ihn anzuschauen.
„Ich habe es Ihnen doch bereits gesagt“, murmelte sie erstickt, „ich bin nicht zu verführen.“
„Das glaube ich dir nicht.“
Die vertrauliche Ansprache ließ sie erschaudern, und wieder versuchte Annabelle, sich freizumachen. Vergeblich.
„Was wollen Sie eigentlich von mir?“, fragte sie erbost, weil sie sich in die Enge getrieben fühlte. „Sie haben doch genügend willige Gespielinnen, die vor Ihrem Bett Schlange stehen! Da brauchen Sie mich nicht auch noch!“
Plötzlich war es ganz still um sie herum. Außer dem fernen Ruf eines Nachtvogels war kein Laut zu hören.
„Aber du bist die einzige Frau, nach der es mich verlangt“, sagte Stefano ruhig.
Stefano Cortez spürt Verlangen nach mir?
Annabelle atmete tief durch und suchte tapfer seinen Blick. Sie musste sich verhört oder er sich geirrt haben. „Sie … Sie sagten doch, ich wäre nicht Ihr Typ.“
„Das bist du auch nicht.“
„Aber …“
„Du bist nicht einfach irgendein Typ “, unterbrach er sie, „sondern anders als jede Frau, die mir bisher begegnet ist. Wunderschön, talentiert, stolz, unabhängig und widerborstig. Ich hatte viele Geliebte, aber niemanden wie dich.“
Am ganzen Körper bebend starrte Annabelle in das harte, anziehende Gesicht dicht über ihrem. Ihre einzige Waffe gegen die fatale Schwäche, die sie für diesen Mann empfand, war sein angebliches Desinteresse an ihr gewesen.
„Warum?“, fragte sie bitter. „Nur damit du vor deinen Freunden angeben kannst, dass es dir gelungen ist, die Eisprinzessin zum Schmelzen zu bringen?“
„Wer hat dich so werden lassen?“
„Wie?“
Auf seiner dunklen Wange zuckte ein Muskel. „Ich habe es nicht nötig, vor irgendjemandem zu prahlen, und kann nicht nachvollziehen, warum du auf den leisesten Flirtversuch derart panisch und aggressiv reagierst. Nur einer deiner Liebhaber war so taktlos, sich mit seinem Erfolg bei dir zu brüsten,
Weitere Kostenlose Bücher