Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
waren«, entgegnete Josif und ging ins Bad.
Judith drehte sich zur Wand.
»Gibt es überhaupt etwas, an das du glaubst?«, fragte sie, als er zurückkehrte und sich ins Bett legte.
»Ja, an das Gute in dir.«
»Ist das eine Lüge, ein Kompliment oder etwa ein Heiratsantrag?«
»Darüber reden wir ein anderes Mal.«
Er umarmte sie. Judith drehte sich um und legte ihren Kopf an seine Brust, atmete seinen Geruch tief ein, berührte mit den Lippen seine Brustwarze und schlief sofort ein.
15
Das nur 28 Quadratmeter kleine, aber feine Luxusapartment von Jan in einem Hochhaus mit Sonnenterrasse, Schwimmbad und Sauna lag nur zehn Minuten Fußweg von der Autovermietung »Colonia Auto Star« entfernt. Auf dem Weg dorthin kaufte er in einer Selbstbedienungsbäckerei Kaffee und Schinkenbrötchen und verspeiste es draußen an einem Stehtisch. Nach tagelangem Regen schien an diesem Morgen endlich die Sonne. Es war der erste wirklich warme Frühlingstag in diesem Jahr. Die Menschen, die wie er draußen standen, lächelten und genossen die Sonnenstrahlen. Jan genoss die Sonne nicht. Das Licht war ihm zu grell, und sein Schädel brummte. Er hatte gestern erfolglos versucht, sich den Frust wegzusaufen. Wegen der blöden Knieverletzung, die er sich im Halbfinale der NRW-Shotokan-Karate-Meisterschaft zugezogen hatte, konnte er nicht mit der Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft nach Kanada fahren. Jan war schon 33 Jahre alt. Das bedeutete wohl das Ende seiner aktiven Sportlerkarriere. Mit zwölf hatte er mit Karate angefangen. Bis dahin war er der absolute Außenseiter in der Schule in der sauerländischen Kleinstadt Kierspe gewesen, wurde gehänselt und geschlagen. Er sah sehr fremdländisch aus (sein leiblicher Vater war Inder) und war der Kleinste in der Klasse. Auch jetzt maß er gerade mal 169 Zentimeter. Mit Karate wurde alles anders. Jan wurde selbstbewusst, lernte Disziplin und Ausdauer und erwarb die Fähigkeit, im richtigen Moment eine schnelle Entscheidung zu treffen.
Bei »Colonia Auto Star« war Jan der einzige Kunde. An der langen Theke sah er zwei Schalter. An einem saß ein sehr gepflegter, zarter junger Mann, der ihn verheißungsvoll anschaute und mehr als freundlich anlächelte. Der zweite Platz war nicht besetzt.
»Guten Morgen. Was kann ich Schönes für Sie tun?« Der junge Mann sang mehr, als dass er sprach.
»Babbel. Kriminalpolizei.«
»Oh, wie spannend! Wie kann ich Ihnen helfen?«
In diesem Moment trat aus dem Nebenzimmer seine Kollegin, die den zweiten Schalter ansteuerte. Jans Blick streifte zuerst ihren Körper: strammer mittelgroßer Busen, schmale Taille, geschwungenes Becken. Dann schaute er hinauf in ihr Gesicht und traf eine sekundenschnelle Entscheidung. Er ließ den jungen Mann sitzen, der ihm gekränkt hinterherschaute, und ging zum anderen Schalter.
»Babbel. Kriminalpolizei.« Er zeigte seinen Ausweis. Am Schalter klebte ein kleines Schild mit ihrem Namen: Nina Neumayer.
»Guten Morgen, Nina. Ich brauche eine Liste von allen Pkw, die am letzten Samstag vermietet waren. Kennzeichen, Automodelle, Namen und Adressen der Kunden.«
Nina hatte kurzes blondes Haar, ein offenes Gesicht und lachende Augen, bei deren Anblick Jan das Gefühl bekam, dass er jahrelang in sie hineinschauen wollte.
»Hat da einer falsch geparkt?« Sie stellte am Computer die Liste der Autos zusammen.
»Nee, ist eher falsch ausgestiegen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Kann ich Ihnen nicht verraten, sonst bin ich meinen Job los und hab kein Geld, Sie heute Abend zum Essen einzuladen.«
»Wäre nicht so schlimm. Ich habe heute Abend eh keine Zeit.«
»Morgen?«
»Auch nicht.« Nina ging zum Drucker.
»So, die Liste ist fertig. Neun Pkw waren vermietet.«
»Wie wäre es denn am Wochenende?«
Nina wartete, bis die Liste ausgedruckt war, und reichte sie Jan.
»Sie geben aber nicht so schnell auf, oder?«
»Ich gebe nie auf.«
»Meinetwegen, bevor Sie mich verhaften. Am Sonntag in zwei Wochen um elf Uhr zum Frühstück. Kennen Sie das Toscanini in Sülz?«
»Nein, aber ich werde es finden.«
Jan steckte die Liste ein und ging hinaus. Er hatte das Gefühl, nicht mehr zu humpeln.
16
Auszüge aus dem Protokoll der Zeugenbefragung: Anna Hiller
Wendel: Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, zu uns zu kommen, Frau Hiller. Wie lange sind Sie schon am Sülzer Theaterhaus angestellt?
Hiller: Ich bin gar nicht angestellt. In der freien Theaterszene ist niemand angestellt. Wir arbeiten alle freiberuflich für
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