Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
Hatten Sie den Auftrag, Christian Pechstein umzubringen?
Schellsicks: Nein. Ich wusste nicht, dass noch jemand im Theater war.
Wendel: Wer war Ihr Auftraggeber?
Schellsicks: Ich kenne den Mann nicht. Er rief mich an und fragte, ob wir uns treffen könnten.
Wendel: Wie heißt der Mann?
Schellsicks: Er nannte sich Klaus.
Wendel: Nachname?
Schellsicks: Keine Ahnung, ich habe nicht nach seinem Ausweis gefragt.
Wendel: Haben Sie ihn gefragt, woher er Ihre Nummer hat?
Schellsicks: Ja, er sagte, von einem meiner Kunden. Den Namen wollte er nicht nennen.
Wendel: Wie sah der Mann aus?
Schellsicks: Wie ein Penner. Hatte alte verstaubte Sachen an, einen Bart, sah schon ziemlich seltsam aus.
Wendel: Wann und wo war das?
Schellsicks: Irgendwann im März. Spätabends in einem kleinen Park in Porz.
Wendel: Was hat er gesagt? Wie lautete genau sein Auftrag?
Schellsicks: Er wollte, dass ich am Ostersamstag in der Nacht das Theater anzünde. Er redete wirres Zeug. Ich würde mich von meinen Sünden für alle Zeiten reinwaschen, und ich weiß nicht, was noch, er war richtig gestört. Ich wollte schon gehen, da gab er mir 1000 in bar und sagte, dass ich am Ostersamstag noch 5000 dazubekommen würde. Da konnte ich nicht Nein sagen. Ich sollte dann am Samstag um zehn auf seinen Anruf warten. Er rief pünktlich an und sagte, der Mietwagen sei reserviert und das Geld liege in meinem Briefkasten. Stimmte alles.
Wendel: Können Sie den Mann näher beschreiben? Größe, Haar- und Augenfarbe?
Schellsicks: Wie ein Penner, mehr kann ich dazu nicht sagen. Es war stockdunkel, als wir uns getroffen haben.
Wendel: Was hat er gesprochen?
Schellsicks: Scheiße hat er gesprochen, wirres Zeug.
Wendel: Ich meine, ob er einen Dialekt gesprochen hat?
Schellsicks: Ja, schon. Der war eindeutig Kölner.
9
Nina kam pünktlich. Das Toscanini platzte aus allen Nähten. Vor allem draußen im Hof waren sämtliche Tische besetzt. Es war ein warmer Maitag, wie ihn die Dichter lieben: Sonnenschein, blauer Himmel und Vogelgezwitscher. Mit weiblicher Intuition erspähte Nina Jan sofort: Er saß drinnen am Ende des Saals an einem Zweiertisch und beobachtete den Eingang. Sie winkte ihm zu. Nina trug hohe Schuhe, einen weißen kurzen Rock und eine hellblaue Bluse. Mit ihrem dynamischen und elastischen Gang kam sie auf Jan zu. Er hatte das Gefühl, dass er ihr stunden-, nein: monatelang einfach beim Gehen zuschauen könnte.
»Hi.«
»Hi.«
Sie lächelten sich an und gaben sich etwas förmlich die Hand. Jan achtete sehr darauf, dass er ihre Hand nicht zu lange in der seinen hielt. Als er Nina in die Augen sah, hatte er plötzlich das Gefühl, dass diese Augen genau das waren, was er sein Leben lang vermisst hatte.
»Tanzt du?«
»Ja, Jazztanz. Wie kommst du darauf?« Sie schaute ihn verwundert an. Jan genoss es, dass er sie überraschen konnte.
»Ich mache … früher habe ich ein bisschen Kampfsport gemacht, da lernt man viel über Körperhaltung.«
Ein Kellner kam an den Tisch. Sie bestellten zwei Milchkaffee und zwei Brunch.
»Bedienen Sie sich einfach selbst!« Der Kellner ging zur Eingangstür, wo gerade eine junge Frau mit einem Kind im Buggy hereinkam und sich nach einem Platz umsah. Der Kellner zeigte in Richtung Hof, wo zwei Plätze frei geworden waren. Die Frau kam Jan bekannt vor. Er schaltete sein Gedächtnis auf »professionell« um. Natürlich, nach drei Sekunden wusste er es: Anna Hiller aus dem abgebrannten Theater. Sie ging nach draußen. Direkt hinter ihr sah Jan einen Mann um die 50 in einem auffällig eleganten hellen Anzug hereinkommen. Telefonierend folgte der Mann Anna Hiller.
»Judith, ich muss dir was gestehen.«
Als das Telefon klingelte, saß Judith im Bademantel mit geschlossenen Augen auf dem Balkon und genoss die Frühlingssonne. Doch wie so oft, wenn die Sonne ihr ins Gesicht schien, kam ungebeten die Erinnerung an jenen Sommertag: Sie ist sieben und sitzt auf der Schaukel im Garten, die Sonne blendet sie, sie kneift die Augen zu. Plötzlich ist die Sonne weg, es fällt ein Schatten auf ihr Gesicht. Sie macht die Augen auf. Die Mutter steht weinend vor ihr. Zum ersten Mal sieht sie ihre Mutter weinen. Judith spürt Gänsehaut am ganzen Körper. Sie steigt von der Schaukel. Die Mutter drückt sie fest an sich. Die Mutter hat eine Schürze an, die nach Kuchen riecht. Heute ist Sonntag, nachmittags gibt es Apfelkuchen. Mutters Bauch zittert. »Judith, mein Mädchen, es ist was ganz Schlimmes passiert. Papa ist
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