Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
und eigentlich nach unten fahren wollte, hielt die Tür auf und wechselte ein paar Begrüßungssätze mit seinem gleichaltrigen Landsmann, der neben Jan stand.
»Mach die Tür zu.« Jans Stimme klang gepresst.
»Hey Bruder, hast du ein Problem?«
Der Nachbar im Aufzug fletschte seine gelbbraunen Zähne. Ohne zu antworten, verließ Jan den Aufzug und stieg eine Etage die Treppe hoch. Im Treppenhaus stank es nach abgestandenem Alkohol und Pisse. Er hatte Mühe, sich nicht zu übergeben.
Als Jan in der zehnten Etage ankam, war der Araber aus dem Aufzug auch schon da. Er stand vor einer Tür ohne Namensschild und klingelte sieben Mal. Ein etwa 30-jähriger großer, muskulöser Mann mit einem blonden Zopf machte die Tür auf. Ein süßlich schwerer Haschischduft strömte aus der Wohnung.
»Volker Schellsicks?«, fragte Jan heiser. Er stand jetzt unmittelbar hinter dem Gelbzahn-Araber.
»Gehört der zu dir?«, fragte der Blonde den Gelbzahn.
»Nee, den Arsch kenn ich nicht.«
Der Araber ging in die Wohnung.
»Kriminalpolizei.«
Jan folgte ihm. Volker versuchte, die Tür zuzuschlagen, doch Jan trat mit dem Fuß dagegen und kam hinein. Der Gelbzahn holte zum Schlag aus, doch Jan war schneller. Mit dem linken Ellbogen traf er ihn ins Gesicht. Das Geräusch verriet Jan, dass er die gelben Vorderzähne wohl nie wieder würde sehen müssen. In der nächsten Sekunde brach er mit der rechten Geraden dem Blonden das Nasenbein. Und um einer möglichen Flucht vorzubeugen, zertrümmerte Jan ihm mit dem linken Fußtritt das rechte Knie. Auch dem Araber brach Jan mit einem Fußtritt die Kniescheibe, um ihn an der Flucht zu hindern, was vermutlich nicht nötig gewesen wäre, denn er lag, aus dem offenen Mund blutend, bewusstlos am Boden.
Jan rief die Kollegen und den Notarzt an.
Ihm war nicht mehr übel.
5
Auszüge aus dem Protokoll der zweiten Zeugenbefragung: Anna Hiller
Wendel: Frau Hiller, wir ermitteln in alle Richtungen. Bei der letzten Vernehmung haben Sie sich geweigert, einige Fragen zu beantworten. Sollten Sie dabei bleiben, sehe ich mich gezwungen, Sie nicht als Zeugin, sondern als Verdächtige zu verhören. Dies könnte unter Umständen eine U-Haft bedeuten. Wollen Sie die Aussage weiterhin verweigern?
Hiller: Ich habe nichts zu verheimlichen.
Wendel: Wir haben erfahren, dass Sie eine intime Beziehung mit Christian Pechstein hatten. Was ist am Premierenabend vorgefallen?
Hiller: An dem Abend habe ich Christian mitgeteilt, dass unsere Beziehung beendet ist. Ich wollte seine Geheimnistuerei einfach nicht mehr mittragen. Er wollte unser Verhältnis nicht publik machen. Sein Argument war, dass er mich nicht in Gefahr bringen wollte, wegen möglicher Entführung oder Erpressung. Sein Vater ist sehr reich, und Christian ist … war der einzige Sohn. Aber in Wirklichkeit hatte er Angst. Angst vor seinem Vater und Angst vor Manfred Stock, seinem Exfreund. Christian war ihm hörig, psychisch und sexuell abhängig. Er kam nicht wirklich los von ihm. An dem Abend hatte ich mich von Christian endgültig getrennt. Das hat ihn sehr getroffen, er hat fürchterlich geweint. Ich konnte und wollte ihn nicht trösten. Er blieb alleine zurück und schloss sich im Büro ein.
Wendel: Glauben Sie, dass Manfred Stock das Feuer gelegt haben könnte?
Hiller: Fragen Sie ihn doch selbst. Ich habe nur gehört, dass er Verbindungen zur russischen Mafia haben soll.
6
Als sie das »Samowar« betraten, fiel Judith auf, dass sie noch nie mit Josif russisch essen gegangen war.
Das Restaurant war gut besucht. Eine blond gefärbte vollbusige Sängerin um die 40 sang mit tiefer Stimme ein melancholisches russisches Lied, am E-Piano saß ein älterer Mann mit weißem Hemd und Fliege. Einige Paare tanzten eng umschlungen. Der Restaurantbesitzer, ein jovialer Mittfünfziger mit großer Nase und abstehenden Ohren, begrüßte Josif sehr herzlich und begleitete die beiden zu ihrem Tisch. Dabei sagte er auf Deutsch zu Judith:
»Freut mich, Sie kennenzulernen. Genießen Sie Essen und Musik, und vor allem genießen Sie Josif.« Sofort kam eine Kellnerin und stellte eine Flasche Moskovskaja auf den Tisch.
»Alle Getränke gehen aufs Haus«, sagte der Chef und entfernte sich.
Josif bestellte etwas auf Russisch, ohne in die Speisekarte zu schauen. Die Kellnerin kam sofort zurück und brachte noch ein drittes Besteck.
»Wer kommt denn noch?«, fragte Judith.
»Meine Mutter.«
Judith sah ihn erstaunt an. Sie wusste, dass seine Eltern seit Jahren
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