Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
Köln-Marienburg zu sehr günstigen Konditionen vom jüdischen Kaufmann Heinz Levy übernehmen können. Nach dem Krieg baute er das zerstörte Kaufhaus wieder auf und eröffnete drei weitere Filialen in Köln, Bonn und Gummersbach. Nach seinem Tod im Jahr 1974 übernahm Hans Pechstein das Geschäft und baute es weiter aus. Inzwischen gehören ihm 14 Filialen in Deutschland und vier in Belgien und Luxemburg. Pechstein hat unter anderem wesentliche Beteiligungen an der Köln-Düsseldorfer Privatbank, an der weltweit operierenden Baufirma Ost-West und an mehreren größeren Gewerbeimmobilien im In- und Ausland. Als Kunstliebhaber und Mäzen ist er auch über Kölns Grenzen hinaus bekannt. Er gründete den Kölnischen Kunstverein, der Stipendien an talentierte Künstler vergibt, und unterstützt seit 1979 das Sülzer Theaterhaus.«
»Was will er denn von dir, Josif?«
»Mir ein Stipendium anbieten wahrscheinlich.«
Klingel und Briefkasten waren wohl aus Sicherheitsgründen nicht beschriftet. Hans Pechstein holte Josif am Tor ab und gab ihm die Hand. Der Zaun war elektrisch gesichert und mit mehreren Kameras bestückt. Eine Bulldogge lief gemächlich neben Pechstein her. Wortlos gingen sie durch den weitläufigen Park an einem großen Brunnen mit Löwenköpfen vorbei. Dort saß im Rollstuhl eine hagere Frau mit großen traurigen Augen. Pechstein streichelte sie kurz im Vorbeigehen an der Schulter. Dann betraten sie die im englischen Landhausstil erbaute Villa. Im Haus durchquerten sie den langen Flur und landeten im 50 Quadratmeter großen Empfangszimmer. Die Bulldogge legte sich auf den riesigen alten Perserteppich und schloss die Augen. Mit einer Geste forderte Pechstein Josif auf, Platz zu nehmen. Josif fragte sich, ob der Teppich und die antiken Möbel noch dem früheren Besitzer gehört haben könnten und ob Heinz Levy wohl mit seinem Deutschlehrer Hans Levy verwandt gewesen war. Und wenn ja, ob das irgendeine Bedeutung für Josifs Leben hätte.
»Heidelinde Golub hat Sie mir empfohlen. Ich bin Inhaber der Möbelhauskette Pechstein. Ich nehme an, der Name ist Ihnen bekannt.«
Josif nickte. Pechstein hatte ein breites Gesicht, ein willensstarkes Kinn und tief sitzende stahlblaue Augen, denen das Leiden der letzten Tage deutlich anzumerken war.
»Frau Golub ist als Model seit acht Jahren exklusiv für uns tätig, sie ist sozusagen das mediale Vorzeigegesicht meines Unternehmens. Inzwischen verbindet uns eine vertrauensvolle Freundschaft. Ich verlasse mich auf ihre Empfehlungen.«
Pechstein sprach sehr ruhig, leise, fast monoton.
»Diskretion und Zuverlässigkeit ist das, was sie an Ihnen besonders schätzt, Herr Bondar.«
»Was kann ich für Sie tun, Herr Pechstein?«
»Mein Sohn Christian ist bei dem Brand im Sülzer Theaterhaus umgekommen.«
»Mein Beileid. Davon habe ich gehört.«
»Ich habe durch Zufall erfahren, dass Christian wohl ein Kind hat, zumindest hat er die Vaterschaft anerkannt.«
»Durch Zufall?«
»Ich hatte viele Jahre keinen Kontakt zu meinem Sohn, aber darum geht es jetzt nicht. Wenn der Junge tatsächlich mein Enkelkind ist, will ich mich um ihn kümmern. Ihre Aufgabe wäre, herauszubekommen, ob seine DNA mit meiner übereinstimmt.«
»Ich nehme den Auftrag an. Wären Sie mit 10 000 Euro einverstanden?«
»Ja.«
»Was wissen Sie über die Mutter?«
»Anna Hiller, Schauspielerin von Beruf, wohnhaft in …«
»Danke, das reicht«, unterbrach ihn Josif und stand auf.
Pechstein holte aus einer Schublade im Sekretär eine kleine Dose:
»Ein Wattestäbchen mit meinem Speichel für den DNA-Test.«
Josif steckte das Döschen ein.
»Falls Sie jetzt zehn Prozent anzahlen möchten, geht das in Ordnung.«
Pechstein ging hinaus und kehrte nach zwei Minuten mit dem Bargeld zurück.
»Danke. Ich nehme an, eine Rechnung brauchen Sie nicht.«
»Nein. Soll ich Sie hinausbegleiten?«
»Danke, nicht nötig.«
Ohne den Kopf vom Teppich zu heben, öffnete der Hund ein Auge und schaute Bondar gleichgültig hinterher.
8
Auszüge aus dem Verhörprotokoll: Volker Schellsicks
Wendel: Herr Schellsicks, Ihre Fingerabdrücke sind am Benzinkanister identifiziert worden. Dass Sie das Theater angezündet haben, steht also unzweifelhaft fest. Möchten Sie sich dazu äußern?
Schellsicks: Nein.
Wendel: Verstehen Sie mich bitte richtig. Wir ermitteln gegen Sie nicht wegen der Drogen, die wir in Ihrer Wohnung gefunden haben, und auch nicht wegen Brandstiftung. Wir ermitteln gegen Sie wegen Mordes.
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