Glauben Sie noch an die Liebe
Er denkt: »Wenn ich fühle, fühlt sie es bestimmt auch.« Ich hätte das Ende so aufschreiben können, dass sie sagt: »Ja, mein Ritter, du hast jetzt so gelitten, ich gebe mich dir hin.« Aber sie sagt: »Keine Liebe.« Er hatte sich das alles so zurechtgelegt, und das hat er jetzt davon. Ist mir auch passiert.
Warum sind Romane wie »Liebesbrand« oder Stücke wie »Romeo und Julia« so beliebt, obwohl sie nicht das Schöne versprechen, obwohl sie kein glückliches Ende haben?
Weil die Romantischen die Realisten sind, weil sie wissen, dass die Liebe nicht ewig währt, weil sie wissen, dass die Liebe, die sie leben, schmerzdurchdrungen ist. Das scheint die Würze zu sein. Der schönste und beste Moment der Liebe ist diese Bedingungslosigkeit, von der man gleichzeitig weiß, dass sie der Anfang vom Ende ist. Das weiß aber auch die Frau, und doch geben wir uns diesem Feuer hin, weil es solch eine gegenwärtige Glücksverheißung ist.
Das klingt immer noch pessimistisch, was die ewige Liebe betrifft. Dabei haben Sie doch mit der »Abschaffung der Unehrlichkeit« einen Weg aufgezeigt, mit dem sie gelingen kann.
Feridun Zaimoglu zeigt auf eines seiner Bilder, die er vor dem Bücherregal aufgestellt hat. Dabei scheppern die großen Blechringe, die er an den Fingern trägt und die ihn im Zusammenspiel mit der einzelnen Handschelle um sein rechtes Handgelenk und seiner schwarzen Kleidung ein wenig wie einen modernen Piraten aussehen lassen. Das Bild trägt den Titel »Tagung der Realisten«. Darauf sieht man einen Menschenkegel von Männern und Frauen, aus deren entblößten Hinterteilen schlangenartige Exkremente quellen.
»Was für ein hässliches Bild«, kann man jetzt sagen, aber es sind Realisten. Wenn wir schöne Speisen essen wollen, dann müssen wir das, was wir gegessen und verdaut haben, wegkacken. Das sind hässliche Worte. Ich schalte sofort um und spreche jetzt in schönen Worten. Es ist keineswegs schwarzseherisch, wenn man sagte, dass in dieser schönen Liebe von Mann und Frau es beiden besser täte, wenn sie Abstand nehmen könnten von Sicherheiten, und wenn sie sich einließen auf Unwägbarkeiten. Das Unwägbare hat immer etwas damit zu tun, dass man sich seiner Liebe und ihrer Liebe nicht sicher sein kann. Das Unwägbare hat damit zu tun, dass man sich auf der einen Seite so sehr nach einem warmen, heißen Nest sehnt. Es ist ja unser aller Sehnsucht. Aber man tut es um seines eigenen Seelenheils willen, um nicht am Ende als Zyniker dazustehen. Doch ich spreche von all den vielen Bränden und Abkühlungen in einem Leben, Widerwillen zuweilen. Man muss sich also gewissermaßen verabschieden von bestimmten Verhältnissen, wohl wissend, dass man auch von der Frau Abschied nimmt. Ist es wirklich Pessimismus, wenn man sagt: »Dieses Nest, diese ideale Welt hat nur einen ganz kurzen Zeitbestand«, wie übrigens alles links und rechts, alles? Menschen sterben, Dinge vergehen. Ist es wirklich Pessimismus, ist es wirklich ein hässliches Bild, wenn ich Frauen und Männer male, die scheißen, die nämlich das Hässliche ausscheißen, um wieder aufnahmefähig zu sein? In der Liebe ist genau dies nicht verkehrt.
Kann es sein, dass Sie vor allem die Eroberung einer Frau lieben, den ersten Rausch als ideale Zeit empfinden?
Gibt es diese ideale Zeit? Ja, im Anfang. Dann verglüht es, ja. Aber es geht ja nicht um den Rausch, es geht ja nicht darum, dass ich gewissermaßen ein Liebesanfangs-Fetischist wäre. Nur die schönen Seiten. Oft genug habe ich auch die schlimmen Zeiten erlebt. Da wehen dir schon kalte Winde um die Nase, da musst du Einsamkeit ertragen, wenn du eben sie vermeiden willst, die verstunkene Harmonie. Ich bezahle dafür, ich muss vieles ertragen, und trotz alledem will ich nicht wieder in die Situation kommen, dass ich dasitze und die Frau mir sagt, sie habe sich in einen anderen Mann verliebt und wolle trotzdem mit mir zusammen sein.
Klingt ein wenig, als wollten Sie die Frauen verlassen, bevor Sie verlassen werden. Haben Sie Verlustangst?
»Verlustangst!« Wisst ihr, ich glaube, wir würden besser leben und besser denken, wenn wir die Begriffe aus der Psychologie wegließen, wenn wir zurückkehrten zu den schönen alten deutschen Bildern. Damals haben sie ja nicht von Verlustangst gesprochen, damals haben sie davon gesprochen, dass sie sich verzehren, sie haben davon gesprochen, dass sie sich wie ausgeweidet fühlen, sie fühlen sich, als hätte Gott sie verlassen. Das sind die Bilder.
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