Gleich bist du tot
offenbar die Regel war. Charakteristisch waren die vier Griffe aus Seil, zwei an jeder Seite.
»Mein DS denkt, wir könnten die Zahl der möglichen Bezugsquellen eventuell auf unter ein halbes Dutzend reduzieren«, schloss Monroe. »Das könnte eine hilfreiche Fährte sein, meinen Sie nicht?«
Jacobson stimmte ihr zu, bedankte sich höflich und legte auf. Es war fast ein Uhr. Unten auf dem Platz schlenderten Büroangestellte und Einkäufer gemächlich durch die Herbstsonne. In der Nacht war es bitterkalt gewesen, wie schon die ganze Woche, am späten Vormittag jedoch hatte der Wind nachgelassen und die Luft sich merklich aufgewärmt.
Er setzte sich zurück hinter seinen Schreibtisch und griff nach seinem Notizbuch und dem mit seinen Initialen versehenen Parker-Kuli, den ihm seine Tochter Sally zu Weihnachten geschenkt hatte. Der Computer war schon okay, aber wenn Jacobson seine Gedanken in irgendeine logische Ordnung bringen wollte, waren ein Stift und ein Stück Papier nach wie vor seine erste Wahl. Es gab eine Reihe Dinge, die ihm in diesem Fall, oder besser: diesen Fällen, Kopfzerbrechen bereiteten, und die meisten von ihnen ließen sich unter einem Begriff zusammenfassen. Er schrieb das Wort in Großbuchstaben vor sich hin: ESKALATION. Eine lange Minute sah er es an. Die ersten beiden Opfer waren in die Sache hineingelockt worden und freiwillig mit ihren Entführern mitgegangen. Bei den nächsten beiden hatte die Bande Gewalt angewandt, und das letzte Opfer war mit Hilfe einer Autofalle überwältigt und ein Mann dabei halbtot an einen Baum gefesselt zurückgelassen worden. Das war die eine Seite der Geschichte. Die andere hatte mit dem letzten Opfer zu tun: der Tochter eines reichen, berühmten Mannes, der es für wert erachtete, einen Vollzeit-Bodyguard zu beschäftigen. Wobei, wie ihm Kerr und Steve Horton übereinstimmend versicherten, das Opfer selbst schon fast so etwas wie ein Star war, vielleicht nur noch ein, zwei Stufen vom ganz großen Ruhm entfernt. Auch die Art ihrer Gefangennahme gab Anlass zur Sorge. Es bestand so gut wie kein Zweifel, dass sie ebenso sorgfältig geplant wie durchgeführt worden war. Wobei die Sorge noch durch ein weiteres Kriterium vergrößert wurde, das diese Entführung von den vier anderen unterschied. Von der Toten einmal abgesehen, war keines der früheren Opfer länger als ein paar Stunden in der Gewalt der Bande gewesen, sie waren alle bereits am nächsten Morgen, direkt nach Tagesanbruch, gefunden worden oder hatten sich befreien können. Nur January Shepherd wurde jetzt bereits seit zwölf Stunden vermisst, es gab keine Spur von ihr in der Nähe der Brandstelle, und die Bande hatte sich noch nicht gemeldet. Jacobson schrieb die einzelnen Punkte auf und las sie noch einmal durch.
ESKALATION:Opfer: zum Mitgehen verführt – zufällig ausgewählt u. gewaltsam verschleppt – bewusst ausgewählt (?) u. gewaltsam verschleppt (+ Hinweise auf sorgfältige Planung).Zunahme der Gewalt: vorgetäuschtes Begraben – vorgetäuschtes Erhängen – brutaler Angriff auf Bodyguard.
Zunehmende Dauer der Entführung.
GROSSE SORGE:J. Shepherd seit 12 Stunden abgängig. WANN wird sie freigelassen? Wird sie überhaupt freigelassen?
Jacobson schloss sein Notizbuch. Er bekam immer mehr das Gefühl, dass die Art-Gang ihre Spielchen mit der Polizei zu spielen versuchte, ganz nach dem Motto: »Ihr seid zu dumm, um uns zu erwischen.« Da waren die Videoaufnahmen der einzelnen Bandenmitglieder, die an die Medien verschickten Filme und jetzt auch noch die demonstrativ verbrannten BMWs und der im Krankenhaus liegende Bodyguard. Ohne die BMWs und den schwer verletzten Harrison würde January Shepherd höchstens, wenn überhaupt, als gewöhnliche, nicht übermäßig dringlich vermisste Person gelten, als eine gesunde, vorübergehend nicht auffindbare Erwachsene, nach der wenigstens noch weitere achtundvierzig Stunden nicht aktiv gesucht werden würde. Es war ganz so, als tanzte er, als tanzte das ganze CID nach einer vorgegebenen Musik, und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Williams und Smith hatten die Berichte der letzten Nacht durchgearbeitet, Mick Hume sich noch einmal die Videobilder vorgenommen. Aber plötzlich war all diese notwendige Arbeit unterbrochen. Hume war im Crowby General Hospital und wartete auf das medizinische Verdikt der Ärzte, die sich um Perry Harrison kümmerten. Harrison war auf dem Weg ins Krankenhaus nicht wieder zu Bewusstsein gelangt und sofort auf die
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