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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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Intensivstation gebracht worden. Von Unterkühlung war die Rede, vielleicht auch einer Gehirnerschütterung. Die Ärzte hielten sich mit einer genauen Diagnose aber noch zurück, und umso mehr mit einer Prognose. Bis Jacobson Gewissheit hatte, wie die Dinge standen, brauchte er jemanden direkt vor Ort, Mick Hume, falls Harrison sich plötzlich erholte und fähig war, über die Geschehnisse zu berichten. Williams und Smith waren unterwegs nach Boden Hall. Es gab dort noch Personal, mit dem Jacobson und Kerr nicht gesprochen hatten. Jacobson wollte eine vollständige Liste aller auf dem Anwesen Beschäftigten sowie eine ähnliche Liste der letzten Besucher. In Erfahrung zu bringen war dabei, wann die einzelnen Personen January Shepherd zuletzt gesehen und gesprochen hatten.
    Auf dem Weg nach draußen griff er sich seinen Mantel. Der plötzlichen Wetterbesserung war nicht zu trauen, und er konnte den Mantel auf Kerrs Rücksitz liegen lassen, falls er ihn nicht brauchte. Sie mussten ins »Riverside Hotel«, um die Mitglieder von Alice Banned zu befragen, was Jacobson persönlich tun wollte. Bisher hatten sie allein John Shepherds Aussage und wussten damit nur aus zweiter Hand, dass dessen Tochter bis nach Mitternacht im Hotel gewesen war. Und Jacobson hielt einen Mann, der nicht viel jünger war als er selbst, aber morgens um elf in Badeshorts und Gucci-Schlappen bereits halb betrunken Brandy kippte, nicht gerade für den verlässlichsten Zeugen der Welt.
    Er nahm den Aufzug hinunter zum Hinterausgang und ging auf den Parkplatz hinaus. Kerr wartete bereits auf ihn und kaute auf einem Kantinensandwich.
    »Wenn ich gewusst hätte, dass Sie so lange auf sich warten lassen, hätte ich was Richtiges gegessen, Frank«, sagte er und gab Jacobson eine braune Papiertüte, die ein zweites Kantinen-Take-away enthielt, ein Speck-Salat-Tomaten-Sandwich und ein Scotch Egg.
    »Staatsaffären, Ian«, sagte Jacobson. »Salter zeigte sich übrigens überrascht, dass wir den Fall noch nicht gelöst haben. Wir müssen über den Tellerrand hinausdenken, sagt er, und ich glaube nicht, dass er damit die Kantinenteller meint.«
    Kerr lachte und schloss den Wagen auf.
    »Dann reißen wir uns doch am besten mal am Riemen und holen alles aus uns heraus.«
    »So ist es, alter Junge. Und schon entdecken wir einen Silberstreif am Horizont und haben den Überblick.«
    Jacobson stieg ein und schwieg. Schleimer-Greg zusätzliche Mittel aus den Rippen zu leiern, wäre vergleichsweise amüsant, wenn es sich nicht um eine derart üble Entführung handeln würde und DCI Frank Jacobson nicht so drängend bewusst gewesen wäre, dass er trotz all seiner vergangenen Erfolge und seiner Denk- und Systematisierungsanstrengungen nicht den blassesten Schimmer hatte, wo sie mit der Suche anfangen sollten.
     

29
    Jacobson und Kerr gingen den langen, renovierten, mit neuem Parkett ausgelegten Korridor zum Garten des »Riverside Hotels« hinunter. Seit Jacobson ein Verhältnis mit Alison Taylor hatte, war er ein regelmäßiger Gast in Crowbys angesehenster Herberge, aber sein Besuch heute war seitdem der erste in offizieller Mission. An Abenden, wenn Alison noch arbeitete, er aber schon Feierabend hatte, verbrachte er nicht selten eine Stunde in einer der ruhigeren Bars und wartete darauf, dass ihre Schicht zu Ende ging. Manchmal traf er dabei Kenneth Grant, einen pensionierten Englischlehrer, der kaum zehn Minuten zu Fuß entfernt an der Riverside Terrace wohnte und seine Spaziergänge mit dem Hund gerne mal auf ein Glas unterbrach. Grant war eine wandelnde Bibliothek. Er wusste alles über Bücher, große und kleinere Ideen und die Art Themen, die nicht zum täglichen Gesprächsstoff eines CID-Inspectors gehörten. Jacobson hatte Grant auf die gleiche Weise kennengelernt wie Alison: als zufälligen Zeugen bei Ermittlungen, die ansonsten nichts mit seiner friedlichen, wohlgeordneten, zivilisierten Existenz zu tun hatten.
    Letzten Endes bestand Jacobsons Selbstbild und -verständnis darin, dass er das, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente, für Menschen wie Grant und Alison tat. Menschen, die sich nicht mordend, stehlend, betrügend oder schlagend durchs Leben bewegten und vor denen geschützt werden sollten, die es taten. Das »Riverside«, so begriff er, war in letzter Zeit zu einer Art Oase für ihn geworden, einem Ort, an dem er weit öfter Licht als Schatten fand. Obwohl das heute, so dachte er, anders sein mochte.
    Kerr schob die Glastür zur Seite, und sie

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