Gleich bist du tot
fünfundzwanzig Minuten nachdem Shepherd Jacobson persönlich angerufen und über die Lösegeldforderung informiert hatte, saßen sich Jacobson, DCS Greg Salter und Chief Constable »Dud« Bentham auf den bequemen Sesseln in Salters Büro im achten Stock gegenüber. Bentham trug keine Uniform, sondern eine Freizeithose und einen hellblauen Pringle-Pullover. In letzter Minute noch hatte er seine samstägliche Runde Golf abgesagt, um ins Präsidium zu kommen. Salter hatte einen guten Kaffee, aber wie gewöhnlich lehnte Bentham sein Angebot ab. Er wollte zu etwas gelangen, das er eine »Leitungsentscheidung« nannte, und das ganz offensichtlich möglichst schnell. Salter schloss sich wie gewöhnlich dem anwesenden ranghöchsten Beamten an, aber Jacobson nahm sich eine Tasse. Bentham konnte anschließend nach Hause gehen und die Füße hochlegen, Jacobson nicht, oder wenigstens hoffte er, dass es nicht so kommen würde.
»Normalerweise würden wir diesen Fall an das Regional Crime Squad abgeben, mit allem, was dazugehört«, sagte Bentham, als das Gespräch beginnen konnte. »Das ist die gewohnte Vorgehensweise. Das RCS ist auf solche Fälle vorbereitet und verfügt über reichlich Beamte für die anfallenden Aufgaben. Verhandler für die Befreiung von Geiseln und so weiter, wie wir alle wissen.«
Bentham machte eine Pause, eventuell, um dem Gesagten mehr Gewicht zu verleihen, vielleicht musste er sich aber auch nur sammeln.
»Dieser Fall ist allerdings alles andere als gewöhnlich. Es arbeiten bereits vier verschiedene CID-Teams an der Suche nach der Art-Gang. Deshalb würden wir meiner Meinung nach wertvolle Zeit verlieren, wenn wir das RCS erst in den Fall einführen müssten.«
Jacobson nickte erleichtert. Er unterdrückte die Bemerkung, dass den karrieregeilen RCSlern der Fall schon Anfang der Woche auf dem Silbertablett angeboten worden war und die Herrschaften nur die Nase gerümpft hatten.
»Und auch der Öffentlichkeitsdrang der Bande ist ungewöhnlich«, fuhr Bentham fort. »Eigentlich ist Medienaufmerksamkeit so mit das Letzte, was Entführer mit Lösegeldforderungen wollen. Ich stehe da wirklich vor einem Rätsel. Die Pressestelle arbeitet im Moment an einer generellen Nachrichtensperre, die wir den Medien stündlich zu überprüfen versprechen. Damit halten wir sie im Boot und uns alle Optionen offen.«
»Ich glaube nicht, dass wir hinter die genaue Motivation der Bande kommen, bevor wir sie fassen«, sagte Jacobson, als klar war, dass Bentham mit seiner Rede fertig war.
»Vielleicht sollte uns das RCS dennoch einen Berater schicken«, schlug Salter vor. »Ich denke da insbesondere an den Aspekt der Freilassungsverhandlungen.«
»Gut«, räumte Jacobson ein, »solange es tatsächlich bei der Beratung bleibt. Wobei es dazu womöglich gar nicht erst kommt. Bisher verlief die Kommunikation mit der Bande völlig eingleisig. Vergessen Sie nicht, dass sie John Shepherd nicht noch einmal anrufen, sondern ihre Anweisungen per E-Mail schicken wollen.«
»Können wir denen keine E-Mail schicken und auf die Weise einen Dialog in Gang setzen?«, fragte Bentham mit der Naivität des leitenden Beamten, der eine persönliche Sekretärin hat, die sich um seine elektronische Korrespondenz kümmert.
»Das hat jeder einzelne Journalist schon probiert, Sir«, sagte Salter und war wie immer darauf aus, den Chief mit seinem minimalen Verständnis der Situation zu beeindrucken. »Die Antworten kommen ungelesen zurück. Sie prallen an dem manipulierten System ab, das die Bande jeweils gerade benutzt.«
»Und sie benutzen diese Systeme immer nur einmal«, fügte Jacobson hinzu und beließ es dabei.
Wenn Bentham an den technischen Details interessiert war, konnte er Steve Horton fragen, wie es alle anderen auch taten. Aber bitte später. Nach den vorherrschenden wissenschaftlichen Theorien mochte die Zeit ja unendlich sein, die Stunden und Minuten bis um drei waren es eindeutig nicht.
»Denken Sie, Shepherd kann in der verbleibenden Zeit an eine so große Geldsumme kommen, Frank? Vorausgesetzt, dass sich das Zahlen des Lösegeldes tatsächlich als der beste Weg erweist?«, fragte Bentham und war froh, auf einen anderen Punkt kommen zu können.
»Offenbar schon. Zumindest steht er auf der Liste der fünfzig reichsten Bonzen unseres schönen Vereinigten Königreichs.«
Normalerweise wurde in einer Situation wie dieser um Zeit gespielt, Fangschaltungen wurden gelegt und der Versuch unternommen, bei der Übergabe am Ort
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