Gleich bist du tot
warten. Ich würde sagen, wir nehmen das mal als Faktum. Wenn irgendjemand in einem der Berichte aussagt, er habe ein Fahrzeug gesehen, fragen wir noch mal nach, ob es ein weißer oder fast weißer Volvo gewesen sein kann.«
»Die Beschreibung ist ein wenig vage«, wandte Kerr ein.
»Auch das stimmt. Wir müssen die einzelnen Modelle recherchieren, Abbildungen davon besorgen und in einer Liste zusammenstellen.«
»Bin schon dabei«, sagte Emma Smith und übernahm die Aufgabe freiwillig.
Ray Williams kam mit einem anderen Einwand.
»Allerdings soll es ein alter Volvo sein. Ich dachte, die Bande mag vor allem teure Lofts und nagelneue BMWs.«
»Bis jetzt, alter Junge, bis jetzt. Aber das könnten sie bewusst so eingefädelt haben. Clever genug wären sie dafür ohne Zweifel. Etabliere ein Muster und weiche dann davon ab. Und vergessen Sie den weißen Ford Transit nicht, den sie benutzt haben. Der Wagen hatte nun auch nichts Besonderes.«
Jacobsons Handy klingelte. Es war John Shepherd. Er hatte sowieso mit ihm sprechen wollen, das aber lieber in der Ruhe und Ungestörtheit seines Büros. Wobei auch die Aussicht auf eine B&H lockte. Er sagte Shepherd, er brauche fünf Minuten, dann solle er noch mal anrufen, und fragte sich gleich anschließend, wie oft im Jahr es wohl vorkam, dass jemand John Shepherd Vorschriften machte.
Er nahm die Treppe und bezahlte die Zigarette, die er sich gerade versprochen hatte, mit der körperlichen Anstrengung. Im Büro angekommen, schloss er die Tür hinter sich und öffnete das Fenster, um den Rauchmelder zu täuschen. Unten auf dem Platz arbeitete sich einer der regelmäßig in Toreingängen schlafenden Obdachlosen mühsam durch die Mülleimer, schien aber nichts Brauchbares zu finden. Jacobson glaubte genau zu wissen, wie sich der Stadtstreicher fühlte. Er zündete sich seine Zigarette an, nahm den ersten Zug und ging erst ans Telefon, als es sechsmal geklingelt hatte.
Shepherd saß auf einer Bank beim Irrgarten. Er hatte gehofft, die frische Herbstluft werde ihm dabei helfen, einen klaren Kopf zu bekommen, geradeaus zu denken und nicht gleich wieder der nächsten, unvermeidlichen Flasche Fussigny zum Opfer zu fallen. Dieser Polizist, Jacobson, ist ein ungewöhnlicher Typ, dachte er. Schroff, manchmal sogar ein verdammter Rüpel, aber er schien auch einer von denen zu sein, die ganz für ihren Job lebten. Wenn einer ihm mit January helfen konnte, dann vielleicht gerade der.
Shepherd wollte schon auflegen und es noch einmal neu probieren, als Jacobson endlich an sein Scheißtelefon ging und ihn fragte, ob die Entführer sich noch mal gemeldet hätten.
»Nein, da war nichts mehr«, antwortete Shepherd. »Kein Ton. Und haben Sie was für mich?«
Die Einleitung war fade, aber dann wurde es interessanter.
»Wir ziehen hier alle Register und gehen verschiedenen Ansätzen nach. Was ich im Moment von Ihnen brauche, sind Hintergrundinformationen. Sie sind ein wohlhabender Mann und damit ein augenfälliges Opfer für eine Erpressung. Trotzdem muss ich wissen, ob es vielleicht noch speziellere Gründe gibt. Was immer es sein könnte.«
Shepherd sah, wie eine plötzliche Böe in die Rosenbüsche fuhr.
»Sie meinen, ob ich Feinde habe? Ob mir jemand grollt?«
»Genau das, John. Nicht jeder stellt einen Bodyguard ein. Auch wenn er Geld hat.«
»Das ist reine Vorsicht. Wenn Sie in der Öffentlichkeit leben, so wie ich es getan habe, sind Sie das Ziel von allen möglichen Irren und Wahnsinnigen, und Perry ist mir in vieler Hinsicht eine Hilfe. Er ist ein Kumpel, ich schulde ihm was.«
»Was genau meinen Sie mit ›in vieler Hinsicht‹?«
Shepherd zog den Kragen seiner Fleecejacke hoch. Der Wind war kalt geworden. Bei jedem anderen wäre er versucht gewesen, zu sagen, halt’s Maul, Mann, verpiss dich und sieh im Internet nach. Aber dieser Jacobson war der Mann, der vielleicht seine Tochter finden konnte.
»Das ist alles lange vergessen, und geheim ist es auch nicht. Nachdem meine Ehe mit Januarys Mutter in die Brüche ging, habe ich eine Zeit lang das große, gelangweilte Rock-Arschloch gegeben, mit harten Drogen, Nutten und so weiter. Damals kam Perry an Bord, um das Ruder in die Hand zu nehmen. Er besorgte mir, was ich brauchte, hielt mir den Rücken frei und so weiter. Aber he, nichts davon hat mit dem, was jetzt hier abgeht, zu tun. Ich bin dieser Tage nur an zwei Sachen interessiert: am Saufen und an Kelly, und das war beides noch völlig legal, als ich das letzte Mal
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