Gleich bist du tot
Ihre Tochter freigelassen. Unverletzt.«
»Aber wie . . .«
»Kein Aber, John Shepherd. Überweisen Sie das Geld, und Ihre Tochter lebt weiter. Versuchen Sie uns hereinzulegen, ist sie tot.«
»Wenn Sie ihr etwas antun . . .«
»Und noch ein Letztes: Halten Sie die Polizei heraus. Wenn Sie das nicht tun, tun wir ihr weh, bevor wir sie umbringen.«
Die Verbindung brach ab, und eine ganze Weile noch hielt John Shepherd das Telefon in der Hand und starrte es ausdruckslos an.
Casper betrachtete die schlafende Tracey. Sie schien hauptsächlich auf dem Bauch zu schlafen. Normalerweise schliefen sie beide nackt, aber gestern Abend, nun, es war bereits drei gewesen, hatte sie ihren Schlafanzug angezogen, bevor sie ins Bett gekrochen war. Er hatte sie nicht angerührt oder so was. Er wusste, dafür war es noch zu früh, und er wollte das Glück nicht herausfordern. Aber er war doch auf dem richtigen Weg, oder? Schließlich war er jetzt hier.
Sie hatte ihn so gegen zwei angerufen und wissen wollen, ob es was Neues gab. Aber Fehlanzeige. Obwohl Dave und Kenny wieder auf Streife gegangen waren. Deren Fehler war es nicht. Sie waren mit Daves Transporter in die Stadt gefahren und hatten überall rumgeguckt. Es gab kaum eine Kneipe, in der sie nicht gewesen waren. Okay, er hatte mehr getrunken als am Abend zuvor, aber immer noch keine Benzos genommen. Seit sechs Nächten keine Pillen mehr, und trotzdem waren sie nicht einen Schritt weiter. Keiner hatte ausgesehen wie einer von der Bande, nirgends. Bis auf den einen Typen im »Wetherspoon’s«. Kenny und er waren ihm aufs Klo gefolgt, und der Kerl hatte sich eingeschlossen, weil er dachte, sie wollten ihm an die Asche. Kenny wollte dem Mistkerl eine Komplettbehandlung verpassen, aber Casper hatte ihn zurückgehalten, schließlich hatten sie eine Mission und machten nicht einfach nur rum. Der Kerl sah aus der Nähe auch anders aus, und er schien Pole zu sein oder so was, auf jeden Fall kein Engländer, und was immer das für Säcke waren, diese Videobandenwichser, Ausländer waren es ganz sicher nicht.
Tracey drehte sich auf die Seite, gähnte sanft, wachte aber immer noch nicht auf. Sie waren kurz davor gewesen, nach Hause zu fahren, als sie ihn angerufen hatte. Du kannst zu mir kommen, wenn du magst, hatte sie gesagt. Ich warte und lass dich rein, wenn ich sehe, dass du es bist. Alles, was er dann wirklich getan hatte, war, sie im Arm zu halten, sie im Arm zu halten und ihr zu sagen, wie leid ihm alles tue, mit Laura und so. In seinem Kopf, hatte er gesagt, da hätte er, also, dass er nicht gedacht hätte, sie hätte es gleich von ihm hören wollen. Sie drehte sich um, weg von ihm, und er kroch leise aus dem Bett und stieg in seine Jeans. Vielleicht war Denise ja schon auf, auch wenn er nichts gehört hatte. Er war im Bad so leise, wie es ging, schlich hinunter in die Küche und stellte den Wasserkessel an. Dave hatte gesagt, Casper könne heute den Transporter haben, wenn er die Augen weiter aufhalten wolle. Dave brauchte den Wagen nicht, er wollte zusammen mit ein paar anderen mit dem Zug nach Coventry zum Fußball. Casper hoffte, dass das Angebot ernst gemeint war. Am besten rief er ihn gleich noch einmal an, um zu checken, ob alles okay ging. Casper fing langsam an zu glauben, dass er die Dreckskerle vielleicht nie erwischte. Vielleicht hatten sie sich längst aus dem Staub gemacht, und das war’s. Aber was machte das schon? Tracey hatte es überwunden, das konnte man sehen, und ihn hatte die Sache dazu gebracht, mal durchzuatmen und sich selbst auf die Finger zu gucken. Das Beste war womöglich, die Kerle einfach zu vergessen und sich nicht mehr um sie zu scheren.
Er fand ein paar saubere Tassen und fragte sich, ob sie lieber Tee oder Kaffee haben wollte. Je nach Laune trank sie mal das eine, mal das andere. Das Gute an dem Transporter war, dass sie damit hier mal rauskamen, weg aus Woodlands. Natürlich konnten sie nicht zum Crow Hill, aber vielleicht anderswohin, wo es nett und ruhig war. Oder wenn ihr das nicht gefiel, konnten sie auch nach Birmingham fahren, durch die großen Läden ziehen und sich einen Film ansehen oder so. Was da passiert war, war Scheiße. Aber sie waren beide noch jung und hatten Jahre, um es zu vergessen. Sie konnten sich die Köpfe mit Neuem füllen und sich eine Zukunft aufbauen, die besser war als ihre beschissene Vergangenheit.
35
Eine Stunde nachdem der Film mit January Shepherd den Medien zugeschickt worden war, und
Weitere Kostenlose Bücher