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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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die vorzuknöpfen.«
    Donnelly zuckte mit den Achseln, ihm schien keine Antwort einfallen zu wollen.
    »Ja, ja«, kam die Mutter daraufhin ihrem Sohn zu Hilfe, »wenn Sie in diesem verschissenen Loch leben müssten, würden Sie auch was einwerfen.«
    Kerr beließ es dabei. Er legte seine Karte auf den Kaminsims, nur für den Fall, dass Donnelly später noch was einfallen sollte, und bot ihm noch einmal an, ihn zu seiner Freundin zu bringen, aber der Bursche lehnte gereizt ab. Da würde er lieber laufen, wenn Kerr verdammt nichts dagegen hätte.
    Kerr sagte, das habe er nicht. Absolut nicht.
     
    Brady hatte die malerische Herausgehobenheit der Wohnung in Crowby besser gefallen, aber mit ihrer Basis in Birmingham war er auch nicht unbedingt unglücklich. Sie hatten sich am Cambrian Wharf verkrochen, wobei Brady eher von einer »neuen Positionierung« sprach, mit direktem Blick auf die aufpolierte Kanalseite. Noch eine modische innerstädtische Toplage, aber im Gegensatz zur Hutfabrik handelte es sich um einen bedauerlich modernen Zweckbau. Einen Trost boten die einzelnen Wohnungen, die noch beeindruckender dimensioniert waren als die in Crowby. Natürlich hatten sie sich im obersten Stock eingemietet, von wo aus man die ganze Stadt im Blick hatte, bis hinüber zum Bullring und sogar noch ein Stück weiter. Sie hatten beschlossen, bereits heute Abend ein weiteres Mädchen zu entführen, das heißt, Brady hatte es beschlossen und würde es den anderen später mitteilen. Zu diskutieren gab es da nichts. Er ging hinüber zum großen Tisch, an dem Adrian auf einem seiner Laptops das Material vom Vorabend zusammen schnitt. An der Wand hinter ihm hing ein dümmlicher Druck eines wohlbekannten Ungeheuers von Lucian Freud. Freuds gewohnte obszöne Fleischbeschau hässlicher, sich vorreckender Körper. Freud zeigte den Menschen so, wie viel zu viele tatsächlich aussahen. Das war arglistig, böse und ohne jeden Sinn. Nach Bradys Meinung gehörte er verbannt und erschossen statt mit Preisen und Auszeichnungen überhäuft. Er stellte sich direkt hinter Adrian und legte ihm kurz und herablassend die Hände auf die Schultern. Maria war in der Küche und richtete ein spätes Frühstück an. Annabel, das wusste Brady, weil er sie eben erst dort zurückgelassen hatte, lag noch im Bett und schlief. Wie es aussah, kam Adrian nur langsam voran. Brady gefiel die Idee, die Kopfstöße des Mädchens gegen den Sargdeckel besser hörbar zu machen und aus Musik und Gesang herauszuheben. Aber aus welchem Grund auch immer, Adrian schien Schwierigkeiten mit der Abstimmung zu haben.
    »Drei Jahre Computerwissenschaft und ein Jahr Filmschule, Ad«, sagte Brady. »Da solltest du das eigentlich mit links hinkriegen.«
    Adrian antwortete nicht und sah auch nicht auf. Brady war der Boss, die eindeutige Nummer eins. Da gab es keine Frage. Aber die Technik war seine , Adrians, Domäne, und er hatte keinerlei Absicht, da auch nur einen Zentimeter zu weichen. Im Übrigen war die Tonabstimmung wirklich knifflig, und er hätte gut ohne Zuschauer leben können, die ihm schmierig in den Nacken atmeten. Der Trick bestand darin, die beiden Tonquellen so zu mischen, dass das verzweifelte Klopfen und Wimmern des Mädchens am Ende nicht völlig von den anderen Geräuschen verschluckt wurde. Das verlangte einiges an Konzentration. Adrian blieb hartnäckig bei der Sache, bis es Brady zu viel wurde, was wie immer äußerst schnell ging, und er seine vorherige Tätigkeit wieder aufnahm: aus dem großen Fenster auf das Herz von Englands zweiter Stadt hinauszusehen. Wenn Adrian ehrlich war, und das versuchte er sich selbst gegenüber immer zu sein, bekam er die Yuppie-Buden bald über, auf die Brady so heiß war. Er sah ihre Funktion, ja, und sie entsprachen natürlich der Ästhetik des Projekts. Tatsache war andererseits aber auch, dass sie reichlich farblos waren, alle irgendwie gleich, ohne große Abwechslung. Er würde froh sein, wenn der Job getan war und er sich seinen eigenen Platz zum Ausruhen suchen konnte, vielleicht sogar was Dauerhaftes.
    Portugal war eine Möglichkeit, über die er seit einiger Zeit nachdachte, im Alentejo zum Beispiel. Oder irgendein Relikt aus feudalen Zeiten drüben im alten Ostblock. Irgendwas Großes, Weitläufiges. In Bulgarien, Rumänien oder Slowenien. Irgendwo dort, mit ein bisschen Land und einem oder zwei alten Brunnen. Er konnte sich bestens vorstellen, wie er faul in die Dorfkneipe schlenderte, entspannt ein Glas Wein trank und

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