Gleich bist du tot
ging es zwei Treppen hinab, und am Fuß der ersten Treppe lag hinter einer Stahltür der enge, fensterlose Videoüberwachungsraum. Gwynne Roberts holte ein mächtiges Schlüsselbund hervor und musste dreimal probieren, bis sie den Schlüssel fand, mit dem sie die Tür aufschließen konnte. Was sie ihnen währenddessen erzählte, war enttäuschend.
Wenn Kerr sie richtig verstand, war die Videoanlage uralt und von der einfachsten Sorte. Analog, nicht digital, und zudem darauf programmiert, nur alle zwölf Sekunden ein einziges Bild zu schießen. Was für die Hausverwaltung ein guter Deal war, nahm Kerr an. Die bekam so neunhundertsechzig Stunden auf eine einzige Kassette, die folglich nur alle fünf bis sechs Wochen ausgetauscht oder zurückgespult werden musste. Für das CID sah die Sache allerdings nicht so gut aus. Die Aufnahmegeschwindigkeit war so weit von der Echtzeit entfernt wie nur eben möglich. Zudem gab es im ganzen Gebäude nur drei Kameras: Eine zielte auf den Hauseingang, und dazu kam je eine an der Einfahrt und an der Ausfahrt zur Tiefgarage. Alles in allem war das eine Anordnung, bei der vieles unbeobachtet und damit ohne bildlichen Nachweis blieb.
Der Raum selbst entsprach der dürftigen Anlage. Kahle Wände. Eine einzelne nackte Glühbirne. Ein ausrangierter Bürostuhl und ein einfacher Tisch. Und dazu, und absolut nicht stolz auf seinen Standort, ein alternder L260-Rekorder mit einem noch älteren Monitor.
»Ich dachte immer, in gehobenen Häusern wie dem hier würde die Sicherheit großgeschrieben«, bemerkte Mick Hume wenig galant.
Gwynne Roberts wackelte mit dem winzigen Diamantstecker rechts in ihrer Nase und schien es nicht persönlich zu nehmen.
»Ich würde schon sagen, dass sie sich Mühe gegeben haben. Videowechselsprechanlagen in den Wohnungen, ein Eingangscode für die Tiefgarage. Da ist das Geld ausgegeben worden.« Sie schaltete den Monitor ein. »Und Videoaufzeichnungen bedeuten kein wirkliches Mehr an Sicherheit, oder? Den Bewohnern ist es egal, wer hier einbricht oder ihnen das Auto klaut. Es geht ihnen darum, dass erst gar keiner einbricht oder sich an den Karossen vergreift, und solange man die Kameras sehen kann, ist der Abschreckungseffekt doch bereits gegeben, richtig?«
»Da hat sie recht, Mick«, meinte Kerr.
Die Logik stimmte, wenn man es nicht vom polizeilichen Standpunkt aus sah, und die meisten Leute waren nun mal keine Polizisten, was viel zu viele der Kollegen, und er selbst schloss sich da nicht aus, immer wieder vergaßen.
Er griff nach der schwarz gebundenen Kladde, die jemand neben dem Videorekorder hatte liegen lassen. Offenbar gehörte das Bandwechseln zu den Aufgaben des Teilzeithausmeisters, der in der Kladde die Wechseltermine vermerkte. Kerr blätterte zur letzten beschriebenen Seite: Das Band schien am Donnerstag zuletzt zurückgespult, aber nicht ausgetauscht worden zu sein. Das war zumindest etwas. So konnten sie nicht nur die letzten paar Tage, sondern notfalls einen guten Teil des letzten Monats durchsehen.
Gwynne Roberts wollte nicht länger bleiben, nachdem sie das System in Gang gebracht hatten. Sie gab Kerr den Schlüssel und eine Visitenkarte mit ihrer Büroadresse. Kerr sagte, er wolle dafür sorgen, dass der Schlüssel zurückgebracht werde, sobald sie mit der Kassette durch seien. Als sie gegangen war, ließ sich Hume auf den unbequem aussehenden Stuhl sinken und drückte die Rückspultaste. Kerr bot an, etwas Heißes zu trinken zu besorgen. Wenn er sich recht erinnere, gebe es ein Stück die Straße hinunter ein paar kleine Cafés, erklärte er Hume.
»Super, mit zwei Stück Zucker bitte, Chef«, sagte Hume, ohne aufzusehen.
Er wäre lieber zu Hause gewesen, aber da er es nicht war, wollte er sehen, dass er vorankam. Allein das Material der letzten Nacht anzusehen, würde einiges an Zeit kosten, dachte er. Gar nicht davon zu reden, wie ermüdend es sein musste. Viele modernere Anlagen arbeiteten bewegungsaktiviert und sparten die langen Zeiten aus, wenn sich im Bereich der Kamera nichts tat. Aber das System hier lief und lief. Wie der Film von diesem Kunstwichser, der vor Jahren das Empire State Building in New York aufgenommen hatte. Stunde um Stunde, egal, ob was zu sehen war oder nicht.
Kerr brauchte zwanzig Minuten, bis er mit dem Tee zurückkam. Ein Café war geschlossen gewesen, und in dem daneben hatte es eine lange Schlange gegeben. Das alte Coop-Gebäude ein paar Grundstücke weiter war ein weiteres Relikt aus viktorianischen
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