Gleich bist du tot
hinunter. Sie hatte sich einen doppelten bestellt, und pur diesmal, ohne Limone, ohne Eis.
»Die krieg ich doch wohl hoffentlich von dir«, sagte sie. »Das ist ja wohl das Mindeste.«
Jacobson, Kerr und Salter drängten sich in das kleine, gefährlich vollgestopfte Büro des zivilen Computerfachmanns des CID Steve Horton und sahen auf den Bildschirm seines Computers. Jacobson und Kerr kannten sich hier aus und waren längst daran gewöhnt, sich zwischen Hortons herumhängenden Kabeln, ausgebauten Platinen und aufgestapelten Terminals ein Plätzchen zu suchen, wo sie stehen und ihm über die Schulter sehen konnten, aber Salter war noch niemals hier unten gewesen. »Die Presse«, »die Medien« und »das Fernsehen« waren die magischen Worte gewesen, die Kerr gemurmelt hatte und die Salter dazu veranlassten, die Sitzung umgehend abzubrechen und sich vom Olymp hinunter in den zweiten Stock zu begeben.
Kerr hatte einen Anruf von Henry Pelling, dem Kriminalreporter des ›Evening Argus‹, bekommen, nachdem der Jacobson nicht erreichen konnte. Pelling hatte eine Datei an ihn weitergeleitet, die Kerr wiederum gleich an Horton geschickt hatte. Es sah ganz so aus, als würden in dieser Sache Hortons Fachkenntnisse gebraucht werden, und da, dachte Kerr, bezog er ihn am besten von Beginn an in die Sache mit ein. Horton schloss das verwirrende Durcheinander offener Fenster auf seinem Schirm, bis nur mehr eines übrig blieb, und klickte auf »Play«.
Kunstterroristen
Staffel 1, Folge 1
Furcht ist Freiheit
Der Film war fünfzehn Minuten lang, plus ein paar Sekunden. Ruckelnde Bilder von Tracey Heald, wie sie mit Casper Donnelly im »Club Zoo« saß und trank, gefolgt von klareren, ruhigeren Sequenzen, von denen Kerr bestätigte, dass sie in der Wohnung in der Hutfabrik aufgenommen waren, bildeten die ersten fünf Minuten. Danach wechselte die Szenerie zum Crow Hill. Es war zu sehen, wie Tracey Heald erfolglos versuchte, ihren Angreifern zu entkommen. Was sie dort im Wald hatte erleiden müssen. In Nahaufnahmen verweilte die Kamera auf ihr, während sie um ihr Leben flehte und ihr jemand von außerhalb des Bildes Erde aufs Gesicht schaufelte. Kamerascheu waren ihre Peiniger allerdings keineswegs. Man konnte sehen, welchen Geschlechts, wie groß und wie sie gebaut waren. Die einzige Vorsichtsmaßnahme schien darin zu bestehen, dass sie ihre Köpfe und Gesichter sorgfältig verpixelt hatten. Zum Ende hin schien der Film zu verblassen, kam dann aber noch einmal mit einem Schlussteil: In Handschuhen steckende Hände wischten Erde von Tracey Healds Gesicht. Unbestimmtes Lachen erklang im Hintergrund, und dann löste sich alles in der letzten Botschaft auf:
Gefilmt in Crowby. Mittelengland.
Samstag, den 23. September –
Sonntag, den 24. September.
DIE KUNST SCHLÄFT NIE.
FORTSETZUNG FOLGT.
Jacobson fummelte an seinem Kragen herum, er hatte plötzlich das Gefühl, sich die Krawatte zu fest um den Hals gebunden zu haben. Über die Jahre hatte er einige Mordopfer gesehen, und da jetzt gerade, dachte er, hatte er den Ausdruck erlebt, den sie in jenen hilflosen Sekunden auf ihren Gesichtern getragen hatten, als sie realisierten, dass ihnen das Schlimmste bevorstand und sie ihm nicht entfliehen konnten. Steve Horton holte die E-Mail auf den Schirm, an die angehängt der Film an den ›Evening Argus‹ geschickt worden war. Aus irgendeinem Grund hatte Pelling beides getrennt an Kerr weitergeleitet. Die Betreffzeile war leer, und es gab nur zwei kurze Zeilen Text:
Vorstellungen dieses Jahr nur im
Vereinigten Königreich.
Einlass nicht für jeden.
Jacobson ahnte die Antwort bereits, stellte die Frage aber dennoch.
»Besteht irgendeine Möglichkeit, den Absender festzustellen, Steve?«
Horton schob seinen Stuhl ein Stück von der Tastatur zurück, womit für Jacobson, Kerr und Salter noch weniger Platz blieb.
»Ich will tun, was ich kann, Mr Jacobson, und vielleicht geht da ja etwas mehr, wenn ich die Erlaubnis bekomme, mit der Internet Crimes Unit zusammenzuarbeiten. Aber ich fresse einen Besen, wenn die Sendedaten echt sind. Dieser Tage nutzen heikle Dateien und E-Mails irgendwelche ungesicherten Systeme, an denen es wahrlich nicht mangelt, hat doch mittlerweile jede Großmutter eine Breitbandverbindung, und das in aller Regel ohne die kleinste Firewall.«
»Ich bin überrascht, dass Pelling die Datei nicht mal geöffnet hat«, sagte Kerr.
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