Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
Vom Netzwerk:
Arbeitsplatz nicht akzeptabel waren. Adrian hatte nichts getan, um seinem kleinen Rattenloch eine persönliche Note zu verleihen. Wenn man schon als Automat betrachtet wurde, dessen Gespräche und Computerbefehle aufgezeichnet und dessen Pinkelpausen berechnet wurden, konnte man auch gleich ein totaler, völliger, hundertzehnprozentiger Roboter sein, ohne jede Spur von Persönlichkeit: Setz dich hin, nimm Gespräche an, rede Scheiße und geh wieder nach Hause. Das hatte ihn ganz sicher auf Brady und Annabel aufmerksam werden lassen (abgesehen von Annabels Fick-mich-Titten, ihren Beinen und ihrem Arsch natürlich). Genau wie er hatten die beiden absolut nichts Persönliches auf ihrem Schreibtisch gehabt.
    Merkwürdigerweise ließ das ihre Arbeitsnischen aus diesem Meer von Stofftieren, verdammten Riesenteddys und Fußballplakaten wie wunde, unverfälschte Stellen hervorstechen. Es war, als hätten sie ein unsichtbares Schild mit der codierten Mitteilung aufgehängt: Ich arbeite hier, lass mich aber nicht zum Narren machen. Ich lass mich nicht vereinnahmen wie der Rest.
    Es hatte auch noch andere Hinweise gegeben. Jeden Montagmorgen gab es für die Tagesschicht im zwölften Stock eine Teambesprechung mit Teilnahmepflicht. Gerry Black, der Abteilungsleiter, fasste die Umsatzzahlen der letzten Woche zusammen, sprach über die Ziele für die kommende Woche und nutzte die Gelegenheit, den Verkäufer der Woche zu küren. Gewöhnlich flocht er auch ein, zwei Klagen darüber ein, dass es zu viele Fehlzeiten gebe und einige wenige ihren Beitrag nicht leisteten und damit die »Familie« des zwölften Stocks enttäuschten. »Vergessen wir Indien nicht«, war sein Mantra dazu, womit er dezent darauf hinwies, dass es praktisch ein Wohltätigkeitsakt der Firma war, das Center nicht dichtzumachen und kostensparend nach Bangalore oder Hyderabad zu verlegen. »Nichts für ungut«, fügte er für gewöhnlich dann noch hinzu, suchte den Raum nach Hindus, Sikhs und Muslims ab und versuchte ihnen mit einem lächelnden Blecken seiner schlechten Zähne zu versichern, dass seine Bemerkung nicht rassistisch gemeint war, sondern lediglich eine realistische Einschätzung der Situation darstellte. Adrian ertrug diese montäglichen Gehirnwäschen, indem er sich ganz nach hinten setzte und nie auch nur ein Wort sagte. Brady und Annabel machten es genauso, wie er nach einiger Zeit feststellte. Einmal hatte eine unangenehme fette Wachtel namens Michelle oder so doch tatsächlich angefangen zu heulen, als Gerry Black sie für einen neuen Verkaufsrekord pries, nach vorne rief und ihr eine billige Magnumflasche Schaumwein überreichte. Brady und Annabel hatten sich kurz höhnisch zugegrient, was Adrian sah und worauf auch er entsprechend das Gesicht verzog, was wiederum Annabel registrierte. Ein paar Tage später stand Brady in der Kantinenschlange hinter ihm und lud ihn mit an den Tisch ein, an dem Annabel sich bereits niedergelassen hatte. Verdammtes Idiotenpack, hatte er noch leise hinzugefügt und den Blick sarkastisch durch den Raum gleiten lassen, da ist es das Beste, wenn das intellektuelle Element zusammenhält, oder?
     

14
    Adrian war seit einem Jahr aus der Universität, als er die Arbeit im Callcenter annahm. Weitere zwei Monate später freundete er sich mit Brady und Annabel an. Studiert hatte er im Norden, und das durchaus mit Erfolg, aber weder sein Abschluss in Computerwesen und visueller Kultur noch sein Graduiertendiplom in digitaler Editionstechnik hatten ihm zu einem lohnenswerten Job verholfen. Vielleicht wusste er sich in den Vorstellungsgesprächen nicht zu präsentieren, vielleicht wirkte er nicht dumm und unterwürfig genug, um dem Bild eines ernsthaften Arbeitgebers von einem rundum ausbeutbaren Mitarbeiter zu entsprechen. Am Ende schlich er sich zurück nach Watford, zog zurück in sein altes Kinderzimmer in der Doppelhaushälfte von Mum und Dad und nahm den Job im Callcenter an, um etwas Geld in der Tasche zu haben und nicht nur zu Hause herumzuhocken. Brady hatte in Bristol Film studiert und dort Annabel kennengelernt. Sie war in der gleichen Fachrichtung wie er eingeschrieben, brach das Studium dann aber ab, sprich: schaffte es nicht. Aber trotz seines zungenfertigen Selbstvertrauens war Brady auf dem überfüllten Jobmarkt für Uniabgänger auch nicht erfolgreicher gewesen als Adrian, schon gar nicht in einem der coolen Medienunternehmen, in die er hineinwollte (und die seinem Niveau entsprochen hätten). Aber wenigstens

Weitere Kostenlose Bücher