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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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vorgehenden Datendieb gut. Natürlich gab es auch Überwachungskameras, aber wirklich jeden einzelnen Mitarbeiter unaufhörlich, über alle Schichten hinweg genau zu beobachten, hätte eine ganze Armee hypermotivierter Sicherheitsleute verlangt und nicht die zwei, drei verschlafenen alten Opas, auf die sich das Management verließ. Im Übrigen dauerte es nur Sekunden, einen winzigen Memorystick in den nächsten USB-Port zu stecken und die Daten einiger Tausend Kunden herunterzuladen, für welche legalen oder illegalen Zwecke auch immer. Und noch ein paar Sekunden später konnte man den Stick, wenn man den Mumm dazu besaß, bereits mit dem Morgenkaffee heruntergeschluckt haben und brauchte nur noch die zwölf Stunden zu warten, bis die Natur ihren Lauf genommen hatte.
    So wurde der Identitätsdiebstahl zu einem Teil von Bradys aufgeblähtem Traum – einem Traum von sich als wirklichem, talentiertem Filmemacher, einem auteur. Wenn die Industrie sich weigerte, deine Talente anzuerkennen, wenn du nicht der Sohn oder Neffe von dem und dem warst, keine Verbindungen hattest, weder zu irgendwelchen Ehemaligen noch zu anderen Schnöseln, dann gab es vielleicht neue Möglichkeiten, Möglichkeiten des einundzwanzigsten Jahrhunderts, einen Eindruck zu hinterlassen und die launische Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf dich zu lenken. Aber selbst wenn das alles nichts wurde, argumentierte Brady, konnte einem der Identitätsklau doch »Lebensqualität« verschaffen, ohne dass man sich mühsam den Arsch dafür aufreißen musste, konnte Kapital auch für andere Zwecke generieren und ihnen allen die Möglichkeit geben, etwas Sinnvolles mit ihrem Leben anzufangen. Erst hatte Adrian Brady noch erklärt, er sei verrückt und der ganze Plan Irrsinn, aber schließlich hatte Brady ihn überzeugen können (oder sagen wir: zermürbt), indem er ein paar Zugeständnisse gemacht, Sicherheitsbekundungen von sich gegeben und schließlich noch ganz altmodisch geschmeichelt hatte: Adrians Computerkenntnisse seien unverzichtbar für solch ein Projekt, ohne ihn gehe es nicht. Und im Übrigen, hatte Brady gesagt und war damit zu seinen Beschwichtigungen zurückgekommen, würde niemandem wirklicher Schaden zugefügt werden, nichts Endgültiges, nichts, wovon man sich nicht erholen könnte. Im Grunde sei das Ganze nichts anderes als eine Art Statement, eine öffentliche Erklärung. Schließlich und endlich machten sie Kunst.
     

15
    Annabel und Maria kamen gegen vier Uhr zurück, beladen mit Tüten aus exklusiven Läden. Brady tauchte eine Stunde später wieder auf, gerade als Adrian ein Back-up von dem machte, was er für den endgültigen Schnitt des Films hielt. Erwartungsgemäß kam Brady noch mit allen möglichen Änderungsvorschlägen, die er für nötig hielt. Adrian nahm gerade genug von ihnen vor, um Brady bei Laune und im Glauben zu halten, dass er die zentrale kreative Kraft sei, wobei er sorgfältig darauf achtete, den Erzählfluss und die Bildfolge, in die er das Material gebracht hatte, nicht zu stören. Der Film war fraglos gelungen, und beide konnten sehen, dass er einen Fortschritt gegenüber dem Crowby-Gig darstellte. Adrian behielt die offensichtliche Tatsache für sich, dass der Hauptunterschied darin bestand, dass er diesmal weit mehr von Bradys Ideen ignoriert als in den Film aufgenommen hatte. Brady schien sowieso bester Laune und verkündete, er habe den passenden Schauplatz für die Operation in Coventry gefunden. Er müsse allerdings morgen noch mal hinfahren, fügte er hinzu: Vorab bereits zu wissen, wo sie ihr Opfer ausfindig machen konnten, sei eine hilfreiche Sache, aber noch wichtiger sei die Entscheidung, wohin sie das Mädchen bringen wollten, wenn sie es erst einmal in ihrer Gewalt hatten.
    Zu viert setzten sie sich vor den Fernseher, um die Sechs-Uhr-Nachrichten auf BBC 1 zu sehen. Sie mussten sich gegen Kriege, Politik und internationale Wirtschaftsthemen behaupten und waren darauf vorbereitet, nur in den Regionalnachrichten zu kommen, aber um genau 18.22 Uhr war es so weit: ein flüchtiger Ausschnitt aus ihrem Film (einmal blinzeln, und man hatte ihn verpasst), drei Phantombilder, die absolut nicht nach ihnen aussahen, und eine nutzlose taghelle Außenaufnahme vom »Club Zoo« mit geschlossenen Fensterläden und Türen. Der Kommentar des Sprechers war eindeutig das Beste. Es hieß, die Polizei sei »ratlos«, und dreimal wurde der Vorfall »bizarr« genannt. Von ihrem Unternehmen gestern in Birmingham war nicht

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