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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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lange sie in dem Kofferraum zugebracht hatte. Wahrscheinlich nicht sehr lange, obwohl sich jede Minute da drin wie eine verdammte Ewigkeit angefühlt hatte. Wenigstens hatte sie sich zu wehren versucht, als die sie da hineinverfrachtet hatten. Da endlich hatte sich so eine Art Überlebensinstinkt gemeldet. Bis dahin war sie wie versteinert, wie gelähmt gewesen: ein Stück Wild, das gleich überfahren werden würde, hilflos und gebannt in die heranbrausenden Scheinwerfer starrend.
    Geholfen hatte ihre Gegenwehr nicht, sie war nur noch gröber behandelt worden und hatte ihre Angreifer wütend gemacht. Einer hatte sie geohrfeigt und ihr einen Faustschlag versetzt, der wirklich wehtat. Sie hatte nach Luft schnappen müssen, wobei sie glaubte, dass es eine der Frauen gewesen war, die ihr den Schlag verpasst hatte. Ein Schlag von einem der Männer wäre wahrscheinlich noch übler gewesen und hätte ihr die Luft genommen. Wenigstens habe ich es versucht. Sie wiederholte den Satz wieder und wieder, so wenig Trost er ihr bot. Hinten im Kofferraum dann war ihr eine Erinnerung an etwas im Fernsehen oder in einer Zeitschrift gekommen, sie wusste es nicht mehr, auf jeden Fall ging es darum, von innen die Rücklichter auszutreten, dadurch die Aufmerksamkeit auf den Wagen zu lenken und so womöglich Hilfe zu bekommen. Natürlich hatte es nicht funktioniert. Sie fand nicht den richtigen Winkel oder vermochte nicht genug Kraft aufzubringen, jedenfalls strengte sie sich vergeblich an. Jetzt fiel ihr noch etwas ein: Während der letzten Minuten vor Ende der Fahrt war es ziemlich holprig zugegangen. Entweder war da die Straße plötzlich schlecht geworden, oder sie waren ganz von ihr abgebogen. Wurde ihr das jetzt erst bewusst? Sie konnte es nicht sagen.
    January öffnete die Augen. Der Raum war zu hell, um schlafen zu können. An der Decke hing zwar nur eine einzige, dafür aber starke Glühbirne, nackt wie das Bett, und erleuchtete auch noch die letzte Ecke. Der Schalter war für sie nicht zu erreichen, wobei sie gar nicht wusste, ob sie das Licht ausgeschaltet hätte, wäre sie an ihn herangekommen. Was sie auch irgendwo gelesen hatte, ohne sich daran erinnern zu können, wo, war, dass ständiges künstliches Licht etwas war, das Gefangene wirklich an Gefängnissen hassten: dass es außerhalb ihrer Kontrolle lag und immer brannte, ob sie es wollten oder nicht. Sie glaubte, das zu verstehen. Allerdings hatten sie hier offenbar das Fenster vernagelt, und so wäre es ohne die Birne womöglich stockfinster, finsterer, als sie es ertragen könnte.
    Als ihre Kidnapper sie aus dem Kofferraum zogen, fühlte sie sich für ein paar Sekunden frei, draußen an der Luft. Allerdings verbanden sie ihr gleich die Augen, und es ging irgendwo hinein und eine Treppe hinauf. Wieder und wieder wurde sie geschlagen. Sie stießen, schlugen und schubsten sie, und die ganze Zeit konnte sie nichts sehen. Die Binde kam erst wieder herunter, als sie nackt ausgezogen und an den Füßen gefesselt war. Beim Kleiderherunterreißen war sie betatscht worden, nicht sehr, aber doch genug, um zu wissen, dass es nicht zufällig geschah. Sie hätte schwören können, dass es wieder die Frau war. Und seitdem nichts mehr. Sie hatten die Tür abgeschlossen, waren verschwunden, und January hatte kein einziges ihrer Gesichter gesehen und ihre Stimmen auch nur gedämpft gehört. Sie setzte sich wieder auf. Wenn ich doch sowieso nicht schlafen kann. Was sie tun sollte, dachte sie, war, das Ganze noch einmal von Anfang an in Gedanken durchzuspielen, jede kleine Einzelheit, um so etwas Konkretes, Rationales zu finden, an das sie sich klammern konnte. Sie waren zu viert gewesen, zwei Männer und zwei Frauen, und sie hatten sie entführt, sie gefangen genommen. Das hieß, sie mussten diese Videobande sein, von der Fernsehen und Zeitungen so voll waren. Das war gut, das war eindeutig gut. Sicher, es war auch erschreckend, was sie mit den jungen Frauen gemacht hatten, aber nur eine von ihnen hatte es nicht überlebt. Und da war es um einen Verkehrsunfall gegangen, richtig? Vielleicht war es gar nicht wirklich der Fehler der Bande gewesen. Wobei sie die anderen jeweils nur ein paar Stunden festgehalten hatten. Länger nicht, nur ein paar Stunden. Die waren krank, diese Typen. Kranke Verbrecher. Aber sie hatten niemanden lange festgehalten. Wirklich nicht lange.
    Sie versuchte, ruhig zu bleiben, versuchte, sich an das zu klammern, was sie eben geschlussfolgert hatte. Allerdings hatte

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