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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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studierte sie wie eine Art Probeexemplar, was seiner Haltung gegenüber einem Großteil der sogenannten menschlichen Rasse entsprach. So ist es recht, dachte er, bleib so und mach es mir leicht. Sie hatten ihr nach dem Öffnen des Kofferraums die Augen verbunden und die Binde erst wieder abgenommen, als alles organisiert und am Platz war. Die Füße hatten sie mit leichten Fußfesseln und die wiederum mit einer genau ausgemessenen Kette versehen, die ihre Bewegungen auf einen risikofreien Radius beschränkte. Sie kam vom Bett bis ins Bad und wieder zurück, aber nur bis auf einen Meter an Tür, Fenster und Lichtschalter heran. Natürlich hatten sie ihre Gefangene nackt ausgezogen, damit sie sich möglichst verletzlich fühlte. Im Moment trug sie auch noch den Klebestreifen über dem Mund, und nach wie vor waren ihr die Hände mit Handschellen sicher auf den Rücken gefesselt. Das würde später Teil ihrer ersten Verhandlung mit ihrem Opfer werden. Sie würden das Klebeband und die Handschellen entfernen und ihr etwas zu essen bringen, vorausgesetzt, sie versprach, ruhig zu bleiben und verdammt noch mal die Schnauze zu halten. Das Cottage lag fernab von allem, was einer der Gründe für ihre Wahl gewesen war, aber Wanderer und Naturfreunde, all diese Verrückten, kamen heutzutage überall hin, und Brady wollte es nicht so weit gebracht haben, nur um in letzter Minute durch ein dummes Risiko alles zu gefährden.
    Sie setzte sich auf, während er sie unbemerkt beobachtete, hob den Kopf und hielt ihr Gesicht genau in die Kamera. Sie war durchaus attraktiv, wenn man ihren Typ mochte, vielleicht sogar schön. Aber es war der Ausdruck auf ihrem Gesicht, auf den es Brady ankam. Der Ausdruck, den er erzeugt hatte. Er erkannte ihn mittlerweile sofort: So sahen sie alle aus, nachdem er sie mit der wertvollen Gabe der Angst beschenkt hatte.
     

25
    John Shepherd schenkte sich eine dritte Tasse Kaffee ein und entschloss sich, Perry anzurufen. January würde wohl noch schlafen, sie wollte er nicht wecken, aber Perry würde ebenfalls wissen, wie der Auftritt gelaufen war, oder wenigstens würde er sagen können, wie die Band hinterher drauf gewesen war. Wahrscheinlich machte er gerade seinen Morgenlauf über das zum Anwesen gehörende Land, aber das war kein Problem, er musste nur kurz stehen bleiben und seinen Lauf für ein paar Minuten unterbrechen. Die Regel war, dass Perry sein Handy sieben Tage die Woche rund um die Uhr anhatte und immer erreichbar war. Shepherd bezahlte ihn weit besser als üblich, und im Gegenzug sorgte Perry dafür, dass seine Dienste niemals weiter als einen schnellen Anruf entfernt waren.
    »Er geht nicht ran!«, rief Shepherd ungläubig nach dem siebten Klingeln.
    Kelly sah von ihrer Zeitschrift auf, der sie sich nach dem Frühstück zugewandt hatte.
    »Vielleicht hast du dich verwählt«, sagte sie.
    Shepherd wählte noch einmal, wieder ohne Antwort. Er versuchte es noch ein drittes Mal und schoss dann von seinem Stuhl hoch.
    Er war nicht wütend, Perry hatte ihm schon zu oft aus der Patsche geholfen, aber er wollte eine Erklärung. Perrys großes Plus war seine Verlässlichkeit. Zumindest bis vor zwanzig Sekunden war sie es gewesen.
    Shepherd holte eine Fleecejacke aus dem Ankleideraum, die Septemberluft war schon empfindlich kühl, und ging zum Kutschenhaus hinüber, das Perry als Unterkunft diente. Auf kürzestem Weg waren es fünf Minuten bis dorthin, ums Arboretum herum und an den Ställen vorbei. Die ganze Zeit über wählte er Perrys Nummer, ohne Erfolg. Er konnte später nicht sagen, wann genau die Angst eingesetzt hatte, dass da was Ernstes vorgefallen sein musste. Vielleicht war es, als er sah, dass der Mercedes nicht auf dem kiesbestreuten Rund vor der mit Zuckerbäckertürmchen aufgemotzten Fassade des Kutschenhauses stand. Perry parkte ihn da über Nacht immer, damit er ihn verfügbar hatte, falls er frühmorgens schon unvorhergesehen den Chauffeur geben musste. Diesmal hatte er es nicht getan. Der Mercedes stand nicht da.
     
    Casper klopfte an Traceys Hintertür und erwartete, dass Denise, ihre Mum, ihn hereinlassen würde. Aber es regte sich nichts. Er klopfte noch einmal. Eine Minute später öffnete sich die Tür endlich, mit vorgelegter Kette: Tracey selbst war heruntergekommen, öffnete die Kette und ließ ihn herein. Tracey sah müde aus. Sie trug eines ihrer Bett-T-Shirts, das rosafarbene, auf dem vorne »Crack-Hure« stand, und dazu eine ausgeleierte Jogginghose, die sie auf dem

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