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Gleich bist du tot

Titel: Gleich bist du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iain McDowall
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Weg zur Tür angezogen haben musste. Er hätte sie gerne in den Arm genommen und an sich gedrückt, wusste aber, dass er in Traceys Augen noch auf Bewährung war.
    Er schaltete den Wasserkessel ein, während sie eine neue Schachtel Superkings aus einer Küchenschublade hervorzauberte.
    »Aus Denise’ Geheimversteck«, sagte sie, riss die Schachtel auf und fischte sich eine Zigarette heraus. »Sie ist in die Stadt, falls du dich wunderst. Heute stellen sie Leute für die Kassen im neuen Lidl ein. Sie will sich bewerben, weil sie noch wahnsinnig wird, wenn sie immer nur hier im Haus hockt.«
    Casper gab ihr ein rotes Zippo und sah eine Möglichkeit.
    »Das find ich super, Trace. Ich geh auch bald arbeiten und so. Dave sagt, er legt ein Wort für mich ein, bei diesem Autoersatzteilladen.«
    »Dave ist nicht vorbestraft, Casper. Er ist einer der Glücklichen, die sie nie erwischt haben, genau wie Denise. Du aber nicht. Dich werden sie für so ’nen Job nicht mal angucken. Nicht für was, wo sie sich’s nicht leisten können, beklaut zu werden.«
    Sie gähnte und zündete sich ihre Zigarette an. Ihm hatte sie immer noch keine angeboten, aber wenigstens hatte sie die Schachtel offen auf dem Tisch liegen lassen und sie nicht zurück in die Lade verfrachtet. Casper fand zwei Teebeutel und spülte zwei Tassen aus.
    »Ich krieg schon was, Trace. Ich bin durch mit der Scheißmacherei.«
    Sie zog einen Stuhl unterm Tisch hervor, setzte sich und sah ihn an.
    »Vor allem solltest du mit der Rum macherei aufhören.«
    Casper tat so, als kapierte er nicht, was sie meinte.
    »Du siehst aus, als hättest du gut geschlafen.«
    »Nicht allzu schlecht. Denise hat mich zu ein paar Joints überredet, bevor ich ins Bett bin.«
    Der Kessel schaltete sich aus, als Casper gerade Zucker in die Tassen löffelte.
    »Es war schon nach drei, als wir’s schließlich aufgegeben haben«, sagte er und kam damit endlich zur Sache. »Keiner hat wen entdeckt, der uns wie einer von denen vorkam.«
    Sie legte die Zigarette auf dem übervollen Aschenbecher ab und schien sich immer noch nicht klar zu sein, ob er die Wahrheit sagte oder sie beschiss.
    »Na, dann vielleicht heute Abend.«
    Er stellte die Tasse vor ihr ab und holte einen offenen Karton Milch aus dem Kühlschrank. Seit fünf ganzen Tagen und Nächten hatte er keine Pillen mehr eingeworfen und war darüber hinaus auch den Großteil der letzten Nacht nüchtern geblieben.
    »Ich glaub nicht, dass Mad Billy noch mal mitmacht. Aber Dave meinte, er würde, und Kenny.«
    »Ich gäbe sonst was dafür, Drecksau Bradys Gesicht zu sehen, wenn Kenny ihn am Kragen hat«, sagte Tracey und lächelte fast.
    Sie ist die Art Frau, die einen zerrissenen Sack tragen kann und trotzdem immer noch gut aussieht, dachte Casper, die Art Frau, die man festhält, wenn man kein völliger, kompletter Vollidiot ist.
    »Warte nur, Tracey«, sagte er, schüttete ihr die Milch in den Tee und beugte sich dabei so weit zu ihr vor, wie er glaubte, es sich erlauben zu können. »Das wirst du schon noch erleben. Das verspreche ich dir, Scheiße noch mal.«
     
    Die Panik kam und ging. January versuchte wieder zu schlafen, wusste sie doch nicht, was sie sonst tun sollte. Die Handschellen schnitten ihr ins Fleisch, und die Fußfesseln schränkten ihre Bewegungsfreiheit auf wenige Meter ein. Sie hatte Hunger und Durst, und ihr Mund schmerzte und juckte wie verrückt unter dem Klebeband. Sie legte sich aufs Bett und schloss die Augen. Ihr war auch kalt. Das Bett war nichts als eine nackte Matratze, langweilig in zwei Blautönen gestreift. Es gab kein Laken, keine Decke und kein Kissen, auf das sie den Kopf hätte legen können. Auch im Bad hing nur ein kleines, dürftiges Handtuch. Wie sie herausgefunden hatte, war es am besten, auf der Seite zu liegen, das tat noch am wenigsten weh. Dann drückten ihr die Handschellen nicht in den Rücken, und ihr Körper lastete nicht auf den gefesselten Armen. Sie zog die Knie so weit an, wie es die Fußfessel erlaubte, und wusste, wie erbärmlich sie aussehen musste, wie ein hilfloser Fötus. Vielleicht auch mittelalterlich: wie eine ausgestoßene Nonne, die man wegen ihrer Sünden gegen Gott oder ihrer Vergehen gegen die irdische Macht des Königs eingesperrt hatte. Mit am schlimmsten fand sie jedoch, dass sie jedes Gefühl für die Zeit verloren hatte. Sie wusste weder, ob es Tag war oder Nacht, noch, wie lange sie schon hier war, wo immer das sein mochte. Sie war sich nicht mal sicher, wie

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