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Gleichbleibend Schoen

Gleichbleibend Schoen

Titel: Gleichbleibend Schoen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Hodgman
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Tier, nichts als ein Tier. Wir müssen unsere jungen Mädchen vor seinesgleichen beschützen. Sicher hat er sie unter Drogen gesetzt oder so etwas, damit sie Sachen wie auf den Fotos machen. Ich werde keine Ruhe geben, bis er seine gerechte Strafe bekommen hat. Für meine Mädchen ist es zu spät, aber ich denke auch an andere. Sie wollten sich in den Ferien nur ihr Taschengeld mit Kellnern aufbessern, und was passiert? Es ist eine verfluchte Schande, und wenn die Polizei nichts dagegen unternimmt, dann müssen wir normalen, anständigen Bürger uns solche Typen vorknöpfen.‹« Das war noch längst nicht alles. Bis zu diesem Tag waren keine Details an die Öffentlichkeit gedrungen, aber jetzt war es so weit. Und Jonathan war geflohen, obwohl die Polizei von einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen hatte.
    Ich durchstöberte seine Regale. Alle Bücher, die interessant aussahen, trug ich ins Schlafzimmer und schmiss sie aufs Bett. Ich machte den Kleiderschrank auf und zog ein Paar edel aussehende dunkle Lederstiefel und einen dicken Naturwollpullover mit Zopfmuster heraus. Sie wanderten zu den Büchern aufs Bett. An einem Haken hinter der Küchentür hing ein großer Leinenbeutel. Ich nahm ihn mit ins Schlafzimmer, packte die Bücher, Stiefel und den Pullover hinein und steckte noch zwei Flaschen Rotwein und einen Weißwein aus dem Küchenregal dazu. Sinnlose Verschwendung guter Nahrungsmittel war für mich eine Sünde, deshalb ging ich zurück in die Küche und packte ein Dutzend verlassener Eier und ein paar kalte Knackwürstchen in eine braune Papiertüte. Ich hoffte, dass Ben die Stiefel und der Pullover gefielen, dass sie ihm passten und er mich lobte, sie angeschleppt zu haben.
    Ich ließ einen letzten sentimentalen Blick durch die Wohnung schweifen. Weil ich alles sauber und ordentlich hinterlassen wollte, strich ich das zerwühlte Bett glatt und schüttelte die Kissen auf. Meine Hand schloss sich um den Griff einer Lederpeitsche. Sie war recht klein, der geflochtene Griff maß gerade mal fünfzehn Zentimeter, aber die Riemen waren, der Neunerregel entsprechend, wesentlich länger. Als ich sie durch die Luft sausen ließ, zischten sie gemein. Ich wickelte die Riemen ordentlich um den Griff und steckte die Peitsche vorsichtig, um die Eier nicht zu zerbrechen, in die Tüte, die dann mit in den Leinenbeutel kam. Man konnte nie wissen, wozu sie noch gut sein würde. Ich nahm den Beutel, der jetzt unangenehm schwer war, und brach auf.
    *
    Ich ging zurück in die Stadt, durch die Einkaufspassage und über den Platz mit dem Springbrunnen zum Tasmanian Museum and Art Gallery, wo ich die Stufen zum Haupteingang hochstieg. Es gab zwei Gebäudeteile, links das Museum, rechts die Kunstsammlung und in der Mitte ein großes Foyer mit Topfpflanzen in riesigen Plastikkübeln, Garderobe, Toiletten und einem kleinen Laden für Postkarten und Souvenirs. Ich gab meinen Leinenbeutel an der Garderobe ab und ging in die Ausstellungsräume der Kunstgalerie.
    Von den Wänden im Erdgeschoss leuchteten mir unverschämt farbenfrohe Gemälde entgegen. Ich sah mich im Raum um. Nichts als leuchtende Bilder. Sie waren wie Fenster, durch die man auf Landschaften mit selten surrealistischer Vegetation blickte – prächtig prunkende Juwelen in Acryl.
    Ich ging zum ersten Bild. Eine schimmernde Lagune in Blau-, Grün-, Gelb- und, an den Rändern, Violetttönen. Ein großer Seevogel pickte sich wählerisch durch die dichte Farbstruktur. Im Wasser spiegelten sich die flirrenden Umrisse eines blassen weißen Mädchens mit Strohhut. Sie watete im Wasser. Beim Gedanken an die schleimigen, sich windenden Widerlichkeiten unten im Schlamm rollten sich meine Zehen in den Schuhen mitfühlend zusammen: All die verborgenen Garstigkeiten, die nur darauf warteten, aufgeschreckt zu werden und den makellos glatten weißen Körper anzugreifen, Stücke aus ihm zu reißen und das schöne Wasser blutrot zu färben.
    Ich flüchtete zum nächsten Bild. Und zum nächsten. Und so weiter durch den ganzen Raum. Auf jedem Bild eine verletzbare weiße Gestalt, ein weiches Zentrum, schutzlos inmitten der strahlend schönen Landschaft unter makellos blauem Himmel. Sie waren wie Krabben ohne Panzer, die sich seitwärts vorsichtig von einem Bild ins nächste schoben, Stück für Stück durchs Paradies der Vernichtung entgegen.
    Ich wandte mich zum Gehen, wappnete mich, die weite Strecke auf poliertem Holzparkett zu überwinden. Ich fühlte mich ausgeliefert. Jederzeit

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