Gleichklang der Herzen
aufgehalten, und nun blieb sein Wagen auf dem Weg nach Mildew auch noch stecken. Auf der verschlammten Straße hatte das Leitpferd ein Hufeisen verloren. Melcombe stieg aus und befahl, den Schaden an Ort und Stelle zu beheben und das Leitpferd gegen eines der Begleitpferde auszutauschen.
Unterdessen sah sich der Herzog um. Aus dem flachen Land erhob sich ein einziger alter, früher einmal vom Blitz getroffener Baum. Als er darauf zuging, redete ihn ein zerlumpter, etwa zwölfjähriger Junge an.
„Hallo, Herr! Sind Sie nicht der Mann, der eine Botschaft von einer Dame erwartet? Sie hat mir gesagt, dass ich Sie hier beim Baum treffen soll und Sie mir dafür etwas in die Hand drücken würden.“
Damit reichte er dem Herzog ein zerknittertes Stückchen Papier. Dann drängte er zur Eile. Er müsse zurück zur Schule, Miss Ravella warte.
Sofort glättete der Herzog den Zettel und las: „Ich werde um neun Uhr am Birnbaum sein.“
„Wo ist dieser Birnbaum, Junge?“
„An der Südmauer des Schulhofs. Junge Damen klettern an ihm rauf und runter.“
Der Herzog faltete das Papier ruhig wieder zusammen und gab es mit der Frage zurück: „Willst du dir ein Goldstück verdienen?“
Der Junge nickte begeistert.
„Dann hör gut zu. Du hast mich nie gesehen. Stattdessen wartest du hier und gibst den Zettel dem Herrn, für den er bestimmt ist. Verstanden?“
Dabei warf er ein Goldstück in die Luft, das der Junge auffing. Er biss sofort hinein, um zu sehen, ob es echt war.
Um die Zeit bis neun Uhr hinzubringen, fuhr der Herzog zu einer ländlichen Gaststätte. Dort bestellte er ein Abendessen mit Wein und ließ es sich schmecken. Kurz nach neun Uhr brach er auf.
Draußen war es bei aufgehendem Mond und klarem Sternenhimmel nicht allzu dunkel. Der Wagen gelangte schnell zu der Stelle, die der Junge bezeichnet und wohin der Herzog einen Diener zur Beobachtung geschickt hatte. Der trat an den Wagenschlag, und berichtete.
„Kurz vor neun hielt hier ein Herr mit seinem Wagen. Die junge Dame wartete oben im Baum auf ihn. Sie sprachen kurz miteinander. Dann ließ sie sich herabgeleiten und stieg ein. Sie fuhren nach Norden.“
„Hast du die Wagenachse geprüft?“
„Ja. Wie Euer Gnaden befahlen, hat man sie heimlich angesägt. Mit seinen drei ziemlich schlappen Gäulen kann der Wagen nicht weit gekommen sein.“
Die Verfolgung dauerte knapp eine halbe Stunde, dann sah der Herzog, was er erwartet hatte. Am Straßenrand war ein Wagen im Graben gelandet und stand gefährlich schräg. Die Reitknechte zerrten an den Zügeln der scheuenden Pferde.
„Können wir Ihnen helfen?“, rief der Kutscher des Herzogs. Ein dunkelhaariger Mann steckte seinen Kopf zum Wagenfenster heraus. „Natürlich! Los, Sie Dummkopf!“
Gemächlich stieg der Herzog aus, während der Sprecher mit Mühe die Tür des verunglückten Wagens öffnete und herauskam. Dann stand er wie vom Donner gerührt.
„Mein lieber Wroxham!“, rief der Herzog liebenswürdig. „Welches Pech! Wie gut, dass ich Ihnen zufällig helfen kann.“
„Treffe ich Sie denn überall, Melcombe? Was in Teufels Namen tun Sie hier?“
„Dasselbe könnte ich Sie fragen, mein lieber Junge. Die Landstraßen sind für jeden da. Ich finde Ihre Antwort auf mein Hilfsangebot recht grob.“
„Danke, aber ich brauche Ihre Hilfe nicht. Einer meiner Reitknechte wird mir einen anderen Wagen besorgen. Bitte, machen Sie sich keine Umstände und setzen Sie Ihre Reise fort.“
„Aber das braucht doch alles Zeit! Steigen Sie in meinen Wagen ein. Er ist groß, und ich bin allein.“
„Ich brauche Ihre Hilfe wirklich nicht“, wiederholte Wroxham ärgerlich. „Fahren Sie bitte weiter!“
In diesem Augenblick erschien ein Gesicht hinter dem Wagenfenster, und eine Stimme rief: „Bitte, bitte, helfen Sie mir!“
Der Wagenschlag wurde geöffnet, und eine junge Dame sprang leichtfüßig auf die Straße.
„Mein Kleid hatte sich eingeklemmt“, sagte sie. „Ich konnte nicht raus. Drinnen hörte ich, wie Sie einen Platz in Ihrem Wagen angeboten haben. Bitte, nehmen Sie mich mit!“
„Mein Wagen steht zu Ihrer Verfügung, Madam. Wohin möchten Sie gebracht werden?“
„Nein!“ Lord Wroxham hielt die Dame am Arm fest. „Sie kommen mit mir. Auf die Gastfreundschaft dieses Herrn sind wir nicht angewiesen.“
Sie schüttelte ihn ab und streckte dem Herzog bittend beide Hände entgegen. „Nehmen Sie mich mit, Sir!“
Das war ein Hilferuf, den er sofort verstand.
„Sie haben die
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