Gleichklang der Herzen
nicht einmal mit Ihrem Namen besudelt hätte.“
„Ja, und darum finde ich es außerordentlich komisch, dass sein Vermögen so lange in meiner Obhut bleibt, bis seine Nichte, die mein Mündel ist, volljährig wird.“
„Großer Gott, ich verstehe überhaupt nichts mehr!“, rief Lord Brora, während der Herzog schon zur Tür schritt. Dort wandte er sich noch einmal zurück.
„Was ich sagte, stimmt, aber wenn Sie mehr erfahren wollen, wenden Sie sich am besten an einen engen Verwandten des Verstorbenen, an den neuen Grafen.“
Dabei fasste er den Mann ins Auge, der der Gruppe den Rücken zugewendet hatte, und verließ den Raum.
„Ich sah Sie hereinkommen, Alister“, sagte Lord Brora zum Grafen. „Erklären Sie uns doch bitte, was los ist.“
Der Angeredete sprang wütend auf. „Verdammt! Möge er in der Hölle braten!“, rief er hinter dem Herzog her.
„Er hat hier alles ausposaunt, um mich zu provozieren. Das sieht diesem Teufel ähnlich.“
„Halt, halt, Alister, setzen Sie sich und erzählen Sie!“
Aber der neue Graf von Wroxham hörte nicht darauf und fluchte weiter. „Verdammt soll er sein, dieser Bube!“
Lord Brora seufzte und nahm am Tisch die Karten auf, die Melcombe ihm hingeworfen hatte.
„Ein Bube ist er vielleicht, Alister, aber niemand wird leugnen, dass er der Herzbube ist.“
In Melcombe-Haus wartete Lady Elinor Renhold auf ihren Bruder.
„Ach, Sebastian, ich musste einfach kommen“, sagte sie mit einem Zittern in der Stimme. „Du weißt wohl, warum. Ich habe George nicht erzählt, dass ich dich aufsuchen wollte. Er hätte es mir verboten.“
Lady Elinor war früher einmal eine blasse, aristokratische Schönheit gewesen, aber nun sah sie nur noch müde und traurig aus.
„Du wirst dich wohl erinnern, Sebastian, dass ich Amy Shane sehr geliebt habe“, fing sie an.
„Ja, und?“
„Ich komme ihrer Tochter wegen zu dir. Ich hörte erst heute Morgen, dass Wroxham dem Mädchen sein Geld vererbt hat und dass du der Vormund bist. Wie ist es dazu gekommen?“
„Amys Tochter, Ravella, ist schon seit sechs Monaten mein Mündel, genauer gesagt, seit Patrick Shanes Tod.“
„Ich hatte keine Ahnung, dass ihr Vater gestorben ist. Und wo ist das Mädchen?“
„Auf einer Schule, die Hawthorn, mein Rechtsberater, ausgesucht hat.“
„Aber die ganze Angelegenheit ist doch lächerlich, Sebastian. Wie kannst du der Vormund eines unschuldigen Mädchens sein?“
„Ich habe gewusst, dass das Wort ,unschuldig’ früher oder später in unserem Gespräch fallen würde“, sagte der Herzog ironisch. „Ich versichere dir, meine liebe Elinor, dass ich die Sache nicht arrangiert habe, aber nun will ich deine Neugierde befriedigen.“
Er berichtete seiner aufmerksam lauschenden Schwester von einem verrückten Spaß, den sich einige Herren vor zehn Jahren in Weinlaune geleistet hatten. Jeder machte damals sein Testament, und Patrick Shane ernannte in diesem Zusammenhang den jungen Melcombe zum Vormund seiner kleinen Tochter. Dieses Testament war noch gültig.
„Aber was hat der gerade verstorbene Wroxham damit zu tun?“, wollte Lady Elinor wissen.
Melcombe erklärte ihr, dass Wroxham als Onkel von Amy Shane seiner Nichte Ravella sein ganzes Vermögen vermacht und auf diese Weise seinen ungeliebten Sohn Alister enterbt hatte. Die Familie Shane war wenig vermögend gewesen.
„Jetzt muss etwas geschehen, Sebastian“, sagte Lady Elinor. „Ich schlage vor, dass du mir Ravella übergibst. George ist damit einverstanden.“
„Dein Mann? Wir wollen uns nichts vormachen, Elinor. Er wird dir äußerst krass vor Augen geführt haben, wie ungeeignet ich als Vormund eines jungen und natürlich unschuldigen Mädchens bin. Ich frage mich nur, ob George auch vor einer Woche so besorgt um Ravella gewesen wäre. Jetzt weiß er nämlich, dass hinter dem Mädchen ein bedeutendes Vermögen steht, und er ist und bleibt nun einmal ein Pfennigfuchser.“
Lady Elinor merkte, dass jeder weitere Versuch vergeblich war. Der Herzog wollte sich von seinem Schwager nichts vorschreiben lassen. Er stand auf und zog an einer Klingelschnur.
„Verzeihung, Elinor, aber dieses Gespräch führt uns nicht weiter. Ich verspreche dir nur, dass ich deinen gut gemeinten Vorschlag nochmals überdenken will.“
Zum herbeigerufenen Diener gewandt, sagte er: „Den Wagen für die gnädige Frau! Schick einen Boten zu Mr. Hawthorns Büro. Er mochte sofort herkommen. Auch möchte ich mit Captain Carlyon sprechen. Falls
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