Gleitflug
über die Schulter und sah eine Frau mit monströs geschwollenen Lippen und einer Grimasse, als stünde sie in einem Gefrierschrank.
»Unglaublich«, sagte Dolly empört zu dem Monitor. »In Twin Peaks war sie bildschön. Warte.« Sie scrollte eilig die Ergebnisse durch und klickte alte Fotos der Schauspielerin an. Lara Flynn Boyle wurde immer jünger.
»Genau! Das ist sie als Donna, die Geliebte von James Hurley. Das war vor eurer Zeit. Also, was hab ich gesagt?! Sieht genau aus wie Meike!«
Langsam heiterte sich Meikes Gesicht wieder auf. Eine junge Frau mit hellen Augen, blütenweißer Haut und kurzen schwarzen Locken war auf dem Monitor zu sehen. Sie saß in Unterwäsche auf einem rot bezogenen Bett, und alles an ihr war reizend, aber nicht nuttig. Sie hatte tatsächlich große Ähnlichkeit mit Meike. Nur dass Meikes Augen grün waren.
Bevor sie etwas über das Foto sagen konnten, fuhr Dolly den Laptop herunter, klappte ihn zu und stand auf. »Und jetzt muss ich mich wahnsinnig beeilen.«
»Gieles!«
Der Fußball traf so hart auf die Fensterscheibe, dass sie klirrte. Auch jetzt zuckte Dolly mit keiner Wimper. Sie zog ihre hochhackigen Schuhe an und sagte sehr bestimmt: »Von mir aus können sie sämtliche Fenster kaputt schießen. Der Flughafen wird mich jetzt endlich abfinden, und nicht zu knapp. Haben sie sich bei euch noch nicht gemeldet?«
»Nicht, dass ich wüsste«, antwortete Gieles. Diese Sache hatte er nach Meikes Ankunft komplett vergessen.
»In einem Jahr stehen hier statt unserer Häuser Pyramiden. Dann sind wir endlich raus aus dieser zerstörten Gegend.«
Dolly nahm den Koffer mit den Vitaminpillen. »Also, viel Spaß, und nicht das Inhalieren vergessen!« Sie warf einen letzten Blick in den Spiegel. Ihre schlanken, gebräunten Beine entfernten sich eilig. Weiße Beine gefielen Gieles viel besser.
Meike setzte sich mit dem Kleinen im Arm aufs Sofa. Er stützte sich auf ihre Brüste wie auf eine Luftmatratze.
» WESHALB KOMMST DU DENN NICHT ?«
Skiq stand vor ihm, die Fäuste in die Seiten gestemmt. Er hatte sich die Fußballhose so weit hochgezogen, dass an den Beinen die Unterhose herausschaute.
»Ja, weshalb stehst du da so rum?«, fragte Meike neckend und vergrub die Nase in Jonas’ Haar.
»Machst du’s mit der?« Skiq schaute Gieles frech an.
»Mit wem?«
»Mit der natürlich!« Er zeigte auf Meike.
»›Die‹ heißt Meike. Und schrei nicht so, wie oft hat man dir das schon gesagt?«
»Machst du’s mit ihr?«
Auch Freek kam jetzt ins Zimmer. Er hatte sich das T-Shirt halb über den Kopf gezogen, der stramme Halsausschnitt drückte seine Brauen auf die Augen hinunter. Es sah lächerlich aus.
»Gieles macht’s mit Meike!«, rief Skiq, formte aus Daumen und Zeigefinger einen Kreis und schob den anderen Zeigefinger hinein.
»Hör auf, Skiq, du weißt ja gar nicht, was das bedeutet.«
»Weiß ich wohl.«
Meike lächelte amüsiert und drehte Zöpfchen in Jonas’ Flaumhaar. »Aha. Was bedeutet es denn?«, fragte sie.
»Der Pimmel küsst das Loch!« Skiq und Freek brüllten los. Sie fielen sich in die Arme und rollten über den Boden. Gieles schaute ihnen verdattert zu. Wie immer ging die Balgerei fast unmerklich in ernsthaftes Kämpfen über. Normalerweise besaß er eine Engelsgeduld, aber jetzt hätte er die Jungen gern auseinandergezerrt.
Plötzlich erhob sich Meike und ging ans vordere Fenster. Sie schob den kränkelnden Gummibaum zur Seite.
Mitten auf der Straße stand Toon; seinen Helm hatte er auf den Tank des Mopeds gelegt. Er trug ein ärmelloses Shirt, so dass sein Bizeps gut zur Geltung kam.
Die Jungen lösten sich voneinander und rannten ebenfalls zum Fenster. »Das ist Toon! Der Freund von Gieles.«
»Er war mal mein Freund.«
»Boah, was für ein Creep«, bemerkte Meike. Jonas hatte ihr seinen molligen Arm um den Hals gelegt. Mit dem Zeigefinger der anderen Hand untersuchte er ihre Tintenträne.
Gieles sah, dass Toon über dem Kopf einen Plastikbeutel schwenkte.
Der Vibrator!
Die Jungen hämmerten gegen die Fensterscheibe. »Toohooon! Toon! Los, wir laufen zu ihm! Ich will ihm meinen neuen MJ-Hut zeigen!«
Gieles hielt es nicht mehr aus. Das Geschrei der Brüder, Toon mit dem Vibrator. In seinem Hinterkopf schien etwas durchzuschmoren oder zu zerreißen. Poff!
» WIR LAUFEN NICHT ZU IHM !« Er fluchte und schimpfte, bis alle drei Jungen zu weinen anfingen und sich Meike lehrerinnenhaft einschaltete.
»Es reicht«, sagte sie energisch. »Sie wissen
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