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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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sich in Zundert?«, fragte Super Waling, der den Blick starr geradeaus richtete. Er fuhr im Schleichtempo und hielt den Verkehr auf. Man merkte, dass er das Autofahren nicht gewohnt war.
    »Beschissen«, antwortete Meike. »Ein Scheißkaff. Diesen Monat veranstalten sie einen Blumenkorso, und dann kommen die blöden Bauern aus der ganzen Gegend, um sich zu besaufen.«
    »Wurde nicht auch Vincent van Gogh in Zundert geboren?«, fragte Waling und bremste.
    »Grün«, sagte Gieles. »Die Ampel ist grün.«
    Waling vergaß, in den ersten Gang herunterzuschalten, und würgte den Motor ab. Hinter ihnen wurde gehupt. Er drehte den Zündschlüssel herum und zerrte wild am Schaltknüppel. Das Getriebe knirschte, der Wagen sprang einen Meter nach vorn.
    »Rot! Jetzt ist wieder rot!«, rief Gieles.
    Meike prustete los und fragte Waling, ob er überhaupt einen Führerschein habe. Waling schaute in den Rückspiegel und hob entschuldigend die Arme, weil sich der Fahrer hinter ihnen auf die Stirn tippte.
    »Gas geben, Waling! Es ist grün!«
    »Ja, ja, ja«, keuchte er. Wieder trat er das Gaspedal zu zaghaft, während er die Kupplung kommen ließ. Das Hupen hinter ihnen wurde ungeduldiger.
    Meike krümmte sich vor Lachen. Sie streckte den Arm aus dem Seitenfenster und zeigte den Hupenden den Stinkefinger.
    Holpernd, dann mit quietschenden Reifen beschleunigte Super Waling das Auto und ließ an der nächsten Ampel die wütenden Fahrer hinter sich zurück, weil er aus Versehen bei Rot durchfuhr.
    »Ich glaube, ich bin geblitzt worden«, sagte er und blickte sich erschrocken um.
    »Das ist echt der Brüller«, gluckste Meike. »Hast du wirklich ’nen Führerschein?«
    Gieles hätte sich am liebsten auf die Rückbank gelegt, damit ihn niemand sah.
    »Wir sind bald da. Bald haben wir’s geschafft.«
    Super Waling sprach sich selbst Mut zu. Seine Pranken schienen das Lenkrad fast zu zerquetschen. Auf der N201 gab es jede Menge Ampeln. Aber das Anfahren ging allmählich schon besser. Bei der fünften Ampel wagte es Waling sogar, sich ein wenigumzuschauen. Er warf einen Blick auf das Wohngebiet links von der Straße.
    »Von hier aus konnte man früher die Dünen sehen, eine großartige Aussicht.«
    »Bei uns wirkt alles alt. Hier ist alles neu«, sagte Meike und schloss das Fenster. Dann schnupperte sie an ihren Händen. »Dino stinkt. Das liegt an dem alten Mann. Seine ganze Wohnung stinkt nach Zigarren.«
    »Das hier konnte nur dank Bestechung und Betrug gebaut werden.« Waling zeigte mit dem Kopf in Richtung eines Gewerbegeländes. Er wagte es nicht, eine Hand vom Lenkrad zu lösen. »Eine Gangsterbande steckt dahinter. Wenn es um Italien geht, sprechen wir von Mafia und dergleichen. Aber hier finden wir Bestechung und Betrug normal. Was haltet ihr von den Häusern da hinten?«
    »Pffff«, machte Meike und schaute gelangweilt aus dem Fenster. »Weiß nicht. Gar nichts. Hier sieht alles so gleich aus. Beim Einkaufen für Dolly hab ich mich schon ein paarmal verlaufen.«
    »Genau!«, rief Super Waling. »Sehr gut ausgedrückt. Was hier aus dem Boden gestampft wird, spricht einen in keiner Weise an. Man verirrt sich, man verliert die Richtung, weil es keine Seele hat. Es ist in jeder Hinsicht leb- und lieblos. Bah.«
    »Onkel Fred sagt, man kann das Neue doch nicht aufhalten. Alles verändert sich«, sagte Gieles gähnend.
    Er hatte seit der letzten Woche ein Schlafdefizit von bestimmt vierzig Stunden. Seine Sexfantasien mit Meike im Wäldchen erschöpften ihn. Letzte Nacht hatte er sie auf einem Felsplateau gefunden, auf dem sie sich nackt sonnte. Als sie ihm zuflüsterte, sie werde sicher einen Sonnenbrand bekommen, hatte er sie mit Kokosmilch eingerieben. Seine Hände glitten die Wirbelsäule entlang über ihren Rücken und ihr Gesäß und schoben dann ihre Schenkel auseinander.
    »Dein Onkel Fred ist Buddhist«, stellte Super Waling fest.»Nichts bleibt unverändert, da hat er völlig recht. Aber das heißt ja nicht, dass alle Veränderungen auch sinnvoll sind. Manche Neuerung geht einfach nur auf … wie soll ich sagen … auf Dummheit, auf Kurzsichtigkeit zurück. Und deshalb ist es manchmal notwendig, Veränderungen zu korrigieren. Sich einzumischen. Man braucht nicht mit allem einverstanden zu sein.«
    »Du hörst dich an wie der Pfarrer in unserer Kirche«, sagte Meike. »Der redet auch immer solche Sachen.« Sie stemmte die Füße gegen das Handschuhfach. An einem ihrer Zehen mit den schwarz lackierten Nägeln trug sie einen

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