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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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zusteuern. Aber der Adler flog eine steile Rechtskurve, weg von der Explosion und dem brennenden Leuchtsatz. Er segelte, als würde er von einer gewaltigen Thermikblase getragen. Als er sich wieder näherte, kippte er auf einmal ab und verlor rasch an Höhe. Der mechanische Vogelkörper trudelte in Richtung Boden, sein Erfinder hantierte wild an der Fernsteuerung, um die Kontrolle wiederzuerlangen.
    Keuchend, die Hände auf die Oberschenkel gestützt, beobachtete Willem Slob den spiraligen Sturzflug des Vogels. In dem Augenblick, als die Reifen des Flugzeugs den Asphalt berührten, zerschellte der Steinadler im Gras. Der Robotermann erreichtedie Absturzstelle und fiel vor seinem Gerät auf die Knie. Es war nicht viel daran heil geblieben. Der Styroporleib war in zwei Teile zerbrochen und hatte die Eingeweide aus Metallteilen und Kabeln ausgespuckt. Die Flügel waren tief eingerissen. Der gelbe Schnabel und der Kopf waren nicht mehr wiederzuerkennen.
    Mit großen Schritten stapfte Willem Slob auf den Mann zu. So hatte Gieles ihn noch nie erlebt. Seinen Vater brachte so schnell nichts hoch.
    »Idiot!«, brüllte Willem und trat mit einem seiner Wanderschuhe auf einen Flügel. »Du kriegst noch einen Riesenärger, du Armleuchter! Mit dem ganzen Flughafen!«
    Dann drehte er sich um und ging weg.
    Der völlig durchweichte Erfinder starrte seinen Vogel an, sein Gesicht mit der zuckenden Nase darin war zu einer jämmerlichen Grimasse verzogen. Gieles hockte sich neben ihn und hob den zertrümmerten Kopf auf. Er legte die losen Teile in einen der beschädigten Flügel, dann band er die Reste des Adlers mit einem Draht zu einem handlichen Paket zusammen.
    Er konnte nur hoffen, dass es am Tag seiner Rettungsaktion nicht regnete.
    Regen wäre verhängnisvoll.

6
    In dieser Nacht träumte Gieles von dem abgestürzten Steinadler. Statt eines Vogelkopfs hatte das Tier langes schwarzes Haar und ein Gesicht, das dem von Gieles’ Mutter ähnelte. Als er aufwachte, war er ziemlich durcheinander. Es war erst sechs Uhr.
    Er überlegte, ob er die Geniale Rettungsaktion 3032 überhaupt riskieren konnte. Die Erfolgschancen schätzte er auf neunzig Prozent, falls die Gänse gehorchten. Und genau da lag das Problem. Sie liefen hinter ihm her, wenn sie sitzen bleiben, und blieben sitzen, wenn sie auffliegen sollten.
    Andererseits, Captain Sully hatte nur eine Chance von höchstens einem Prozent gehabt. Aber seine Vorbereitungen waren gut, sehr kontrolliert. Er befolgte die Vorschriften für Landungen, obwohl er statt auf festem Boden auf Wasser landen musste. Er hielt sich an einen Plan. Gieles brauchte auch einen Plan.
    Er tigerte durch sein schallisoliertes Zimmer, bis ihm klar wurde, wie die Sache anzugehen war. Er griff nach dem Brett vor der Kramecke und drehte es um.
    Perfekt. Mit schwarzem Filzstift schrieb er seinen Plan auf das Holz.
    Mai: Training Kommando Bleib
    Juni: Training Kommandos Flieg/Lande
    Juli: Training alle Kommandos Bleib/Flieg/Lande
    7. August 11:40 Uhr: Ankunft Mama
    Zufrieden betrachtete er die Übersicht. Heute Nachmittag nach der Schule würde er mit den Gänsen üben und den Brief an Moullec abschließen.
    Er zog sich an und ging in die Küche. Onkel Fred las die Zeitung.
    »Das war vielleicht ein Theater gestern, mit dem Roboter«, sagte er und nahm einen Schluck aus dem Becher mit der DC -2 darauf. Quer durch die Maschine lief ein gezackter Sprung. Es war ein Rätsel, dass der Kaffee nicht herauslief.
    »Ich verstehe ja, dass dein Vater fuchsteufelswild war, aber für den Mann war es auch schreckliches Pech. Wie ich gehört habe, hat er sehr lange daran gearbeitet.«
    »Dreihundertfünfzig Stunden«, erklärte Gieles und bestrich eine Scheibe Brot mit Erdnussbutter.
    Onkel Fred schob ihm die Zeitung hin. Es war die kostenlose Regionalzeitung, die sie jede Woche im Briefkasten hatten.
    »Apropos Pech. Sieh mal hier.« Amüsiert tippte er mit dem Finger auf das Titelblattfoto.
    Gieles erkannte ihn auf den ersten Blick. Super Waling.
    Er steckte mit seinem Elektrokarren auf einem Acker fest und lächelte ergeben, während Feuerwehrleute ihn mit einem Seil aus dem Matsch zogen. Gieles las den Text unter dem Foto.
    ELEKTROMOBIL GEHT MIT FAHRER DURCH
    Korrespondent Waling Cittersen van Boven war für unsere Zeitung unterwegs, als es ihn plötzlich auf einen Kartoffelacker am Hoofdweg verschlug. Sein Elektromobil ging mit ihm durch, weigerte sich, links abzubiegen, und fuhr stattdessen vom Radweg geradeaus in den

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