Gleitflug

an.
    Da hatte Gieles wirklich etwas verpasst.
    »Wer hat sie erwischt?«, fragte er so uninteressiert wie möglich.
    Doch Toon hörte die Erregung in seiner Stimme und blätterte seelenruhig weiter. »Megatitten stehn nicht drin … Aber Möse. Chatte, con . Isch leckö deinö Schattö. Französisch ist doch echt schwul. Gimmie bossie «, fügte er hinzu.
    Gieles hob übertrieben die Brauen.
    » Gimmie bossie . Das sagt Flippertong zu allen Chicks. Er kommt von den Antillen.«
    »Wer hat sie erwischt?«, wiederholte Gieles ungeduldig.
    »Die Bio-Mumie.«
    Er warf das Wörterbuch auf den Boden und zündete sich eine Zigarette an. Mit vorgestülpten Lippen blies er Rauchkringel in die Luft.
    »Du darfst hier nicht rauchen«, sagte Gieles und hielt ihm eine leere Coladose hin.
    Toon nahm unbeirrt einen weiteren Zug, er rülpste beim Ausblasen des Rauchs. Zwiebelgeruch stieg Gieles in die Nase.
    » By the way «, begann Toon. »Ich finde, wir werden zu alt fürVornamen. Kerle nennen sich beim Nachnamen. Also Slob, von jetzt an heiße ich Keijzer.«
    »Hör auf mit dem Scheiß, Toon. Mach sie aus.«
    »Hör auf mit dem Scheiß«, äffte Toon ihn mit weinerlicher Stimme nach und richtete sich auf. »Kommst du mit zum Einkaufszentrum?«, fragte er dann in völlig neutralem Ton.
    »Nein. Ich muss Hausaufgaben machen.«
    Rauchend verließ Toon das Zimmer. Dreißig Sekunden später knallte die Hintertür zu, und die Gänse schlugen wieder an. Toon hob eine Handvoll Kies auf. Er wollte damit werfen, sah aber offenbar, dass ihn jemand vom Campingplatz aus beobachtete. Es war Johan, der alte Mann mit den verkalkten Beinen.
    Gieles versuchte auf andere Gedanken zu kommen und betrachtete wieder das Foto von Gravitation mit dem Kaninchen vor den Brüsten. Er hatte es sich schon sehr oft angesehen. Sie forderte ihn heraus. Vielleicht strippte sie ja für Geld vor ihrer Webcam.
    Er stand auf. Er musste sich konzentrieren, seinen neuen Trainingsplan einhalten.
    Schnell schüttelte er den Gedanken an Gravitation ab und ging hinunter. Aus der Scheune holte er den Bambusstock und die Keksdose. Das Geräusch lockte sofort die Gänse an. Entschlossen trieb er sie am Wäldchen vorbei auf dem grasbewachsenen Weg zum Maschinenschuppen. Auf der Weide neben dem Schuppen grasten ein paar Kühe. In einigen Wochen musste er das Training auf die Weide verlegen. Die Rettungsaktion würde ja auch im Freien stattfinden.
    Er schob die Wellblechtür zur Seite und nahm seine Position ein. Die Gänse traten bettelnd von einem Fuß auf den anderen. »Einen für Tufted, einen für Bufted«, sagte er und gab jeder einen Spekulatius. Er hatte ihnen Namen gegeben.
    »Tufted und Bufted«, wiederholte er und dachte an SuperWaling, der enttäuscht wäre, wenn er nicht zu der Führung erschien.
    »Bleib«, befahl Gieles. Beide Gänse schauten ihn mit einem Auge an. »Bleib.« Langsam bewegte er sich rückwärts ans andere Ende des langen Schuppens.

7
    Mein Brief an Sie geht jämmerlich langsam. Immer gibt es Anweisungen von Menschen. Entferne Gänsekot. Sitte die Babys.
    Aber ich belästige Sie zukünftig nicht. Sie haben gewaltige Probleme. Ihr Website sagt, in Lappland wurden Fahlgänse fast alle von Jägern ermordet. Wieder ein Skandal, der abgeschafft werden muss. Der Himmel ist hoch. Zum Glück reichen Menschen nicht an alles heran.
    Ich will Ihnen schreiben, dass in meinem Land in diesem Jahr viele zehntausend Gänse ermordet wurden, und in Amerika wurden 500 000 Gänse ermordet!!!!! Mit Gas!!!! Für den Fliegverkehr!!!! Vielleicht sind Sie bekannt mit Captain Sullenberger. Der gewaltige Kapitän von Flug 1549, der mit Gänsen im Apparat auf dem Hudson gelandet ist. Damals haben die Amerikaner gesagt: Oh, wir müssen die Gänse umbringen. Es sind zu viele im Himmel. Es sind zu wenig Sullys. Oh, dann bringen wir sie in den Gaskasten.
    Ich sage Ihnen, ich bin nicht aus Prinzip gegen den Gaskasten. Mein Vater hat früher einen besessen. Sie können sich wie einen rollenden Mülleimer mit Gasschlauch vorstellen. Der Gaskasten war Endstation für Tauben. Tauben sorgen für riesige Überlastung. An einem Tag in meiner Jugend habe ich mich vor Toon in dem Gaskasten versteckt. Es war ein Spaß, aber mein Vater hat fast tödlich erschrocken. Der Gaskasten ist dann verschwunden.
    Für Sie habe ich in diesem Moment zwei Fragen. Die leichte ist, ob Sie Ihr Gänsen einen Namen geben, als Instrument für besseren Gehorsam. Birdie, Tarzan, Chippie? Das Buch für Hunde s