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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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aber jetzt kam es ihm völlig bescheuert vor.
    »Arme Liedje. Arme Kinder. Vor allem für die Kleine ist das doch nicht zu begreifen.«
    Auch Gieles verstand nicht, wie jemand mit einem so fröhlichen Namen Krebs bekommen konnte.
    »Ich rufe sie an«, sagte Onkel Fred und wusch sich wieder die Hände. Diesmal schrubbte er sie grob mit einer Bürste, als hätte er den Krebs an den Fingern.
    Gieles ging zur Tischtennisplatte. Er wollte nicht an Deprimierendes denken. Die kleine Gans kam übermütig auf ihn zugetrippelt. Ihre Anhänglichkeit war rührend.
    Er hob sie hoch. In all den Wochen war sie nur wenig gewachsen. Sie war jetzt etwa so groß wie eine Teekanne, während ihre Schwester das Format eines Bräters hatte. Trotzdem hatte sie erstaunlich viel Kraft im Schnabel und war klüger als die anderen Gänse. Gieles hatte ein breites Brett auf zwei Böcken vor der Tischtennisplatte befestigt und zwischen Platte und Brett an Drähten eine Wäscheleine gespannt, damit sie nicht ihr Spielfeld betrat. Er setzte sie auf das Brett. Erstaunlicherweise hatte sie verstanden, dass sie hinter der Leine bleiben sollte. Nach dreimaligem Üben beherrschte sie schon die Grundschläge. Sie konnte mit dem Schnabel einen Ball unterschneiden oder blocken, alles unglaublich genau. Vor- und Rückhand waren für sie dasselbe. Nach jedem Schlag quäkte sie aufgeregt, es erinnerte an die Luftrüssel bei Kindergeburtstagen.
    Heute wollte er ihr einen Aufschlag beibringen. Sie sollte den Ball nach oben schleudern, jedes Mal ein bisschen höher, dannausholen und dem Plastik mit der Schnabelseite einen Schlag versetzen.
    Er legte ihr den Ball auf den Schnabel und klopfte mehrmals von unten dagegen. Sie schnappte ärgerlich nach seinem Finger. Der Ball fiel aufs Brett. Er versuchte es erneut, aber das Schnappen wurde wütender. Beleidigt drehte sie ihm den Rücken zu. In der nächsten Sekunde schlief sie ein.
    Vorsichtig hob Gieles sie vom Brett und trug sie in den Schatten unter einem Baum. Es war warm und windstill. Kerosinabgase verursachten ein Brennen in Nase und Augen.
    Wenn die kleine Gans an seinem Rettungstraining teilnehmen könnte, würde sie seine Befehle sofort befolgen. Aber sie war noch zu jung zum Fliegen. Und was noch viel wichtiger war: Er wollte sie keiner Gefahr aussetzen.
    Er spähte über die Wiese. Unter einem Sonnenschirm am Ufer des Wassergrabens saß das alte Ehepaar. Die weißen Köpfe waren gesenkt, sie rührten sich nicht. Gieles ging den beiden aus dem Weg. Er hatte keine Lust auf die Alben mit Flugzeugunglücken. Auf einmal bewegte sich etwas unter dem Sonnenschirm. Johan hob das Fernglas vors Gesicht und schaute in seine Richtung.
    Schnell schlüpfte Gieles ins Haus und ließ sich neben seinem Onkel auf das Englische-Rosen-Sofa fallen. Onkel Fred sah einen alten Indiana-Jones -Film und entkernte dabei Kirschen. Das machte er genauso geschickt, wie er das Geschlecht von Küken bestimmte. Die Technik war ungefähr die gleiche; er drückte den Kern mit einer einzigen schnellen Bewegung heraus.
    » Tempel des Todes ?«, fragte Gieles.
    » Der letzte Kreuzzug. « Onkel Fred sammelte alle Filme mit Harrison Ford.
    Zusammen sahen sie, wie Indiana Jones und sein Vater Professor Henry Jones in einem klapprigen Flugzeug über Wälderflogen. Dabei wurden sie von Nazis verfolgt, die Kugeln pfiffen ihnen um die Ohren.
    Gieles nahm eine Handvoll Kirschen und schluckte sie mit den Kernen hinunter.
    »Dein Vater sieht Harrison Ford immer ähnlicher, weißt du das?«
    Indy und sein Vater stürzten ab, überlebten aber ohne die kleinste Schramme und konnten im Auto weiterfliehen. Ein Nazi verfolgte sie in einem Flugzeug mit Flügelstümpfen in einen Tunnel, bis die Maschine explodierte. Professor Jones umklammerte ängstlich seinen Koffer und Schirm.
    »Ich habe bei den Keijzers angerufen«, sagte Onkel Fred. »Aber sie waren nicht da.«
    Eine Bombe ging direkt neben dem Auto hoch, deshalb mussten sie nun zu Fuß weiter. Sie rannten einen Hügel zum Strand hinunter. Dort saßen sie in der Falle. Ein besseres Ziel hätte sich der Nazi nicht wünschen können. Indy und Henry Jones starrten das Jagdflugzeug an, das feuerbereit auf sie zuflog.
    »Arme Liedje.« Onkel Fred schüttelte betrübt den Kopf.
    In der Brille des Vaters spiegelte sich die heranrasende Nazi-Maschine. Es war aus. Sie waren so gut wie tot. Doch plötzlich zog der alte Jones seinen Regenschirm wie ein Schwert aus dem Griff des Koffers und spannte ihn auf. Die

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