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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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einen Kopf größer als Skiq.
    »Meike?« Er konnte es kaum glauben.
    »Hi«, flüsterte sie. »Der Mann, Onkel Fred, hat gesagt, du wärst hier …«
    So blass .
    Ihre Haut war wirklich so weiß, als hätte sie noch nie Tageslicht gesehen. Aber ihr Gesicht war absolut vollkommen, abgesehen von der schwarzen Träne und dem Augenbrauenpiercing.Auf dem Piercingring saß eine Spinne. Eine winzige Spinne mit einem roten Steinchen als Leib. Meikes Augen waren noch viel grüner als auf den Fotos.
    »Ja«, sagte er und strich mit der Hand über seine Haare, die bestimmt wieder aufrecht standen. »Ich hab gerade … ähm … hab den Kindern gerade was erklärt …«
    Meike zupfte an ihrem schlabberigen schwarzen T-Shirt. Sie trug Militärstiefel und Leggings voller Löcher und Laufmaschen. An einem Bändel um ihren Hals baumelte ein kleines Täschchen, verziert mit bunten Federn, wie er sie früher als Indianerkopfschmuck getragen hatte.
    Barbara kam zu ihnen. »Haben wir Besuch? Das freut mich«, sagte sie fröhlich. Sie streckte die Hand aus und stellte sich vor. Meike erwiderte den Gruß und nannte ihren Namen. Ihre eigene Hand war klein, die Nägel pechschwarz lackiert.
    Die Lehrerin hakte sich bei ihr ein, als wären sie alte Freundinnen, und zog sie mit. »Skiq hat uns erzählt, dass Gieles Kunststücke mit seiner Gans kann. Wir sind alle schon wahnsinnig gespannt.«
    Meike ließ sich im Schneidersitz neben Barbara nieder, während die Kinder sie von oben bis unten musterten. Sie hatten die kleine Gans, die jetzt neugierig an den Sträuchern entlang watschelte, völlig vergessen. Mit dem vielen Schwarz erinnerte Meike irgendwie an eine vom Baum gefallene Fledermaus.
    »Das ist Meike«, sagte Barbara in einem Ton, als wolle sie ihre Klasse beruhigen. »Meike, ich kann mich nicht an dich als Schülerin erinnern.«
    Meike saß ganz still, nur ihre Blicke schossen hin und her, sie schien irgendetwas zu suchen, aber vergessen zu haben, was es war. Gieles stand außerhalb des Kreises und wusste nicht, wohin mit seinen Armen, die plötzlich einen Meter länger zu sein schienen. Er schob die Hände in die Hosentaschen, zog sie wieder heraus, strich nervös über sein Haar und versuchte dasKarussell in seinem Kopf zu stoppen.
    »Wann machst du denn jetzt das Kunststück, Gieles?«, rief Skiq ärgerlich.
    Aber Wallie hatte gar keine Lust mehr zu spielen. Sie hatte den Tümpel entdeckt und bahnte sich einen Weg durch die Binsen zum Wasser.
    Nachdem die Kinder und die Lehrerin eine Weile tote Äste fortgeräumt hatten, kehrten sie zur Schule zurück, und Gieles nahm Meike mit nach Hause. Sie gingen über den Campingplatz. Zum Glück war Johan nirgends zu sehen.
    »Das ist unser Spotter -Campingplatz«, sagte er. »Der HOTSPOT .« Er zeigte auf das Schild.
    »Und es ist fast keiner da«, flüsterte sie.
    »Alle Gäste sind vor dem Krach geflohen.«
    Zum ersten Mal sah er, wie Meike lachte. Sie zog die Nase ein bisschen kraus. Er hätte gern einen Witz nach dem anderen gemacht, damit sie die Nase immer so kraus zog.
    Sie gingen sehr nah nebeneinander her. Er spürte den fast unwiderstehlichen Drang, sein Gesicht in ihren Dreadlocks zu vergraben, die an die Schwänze von schwarzen Lämmern erinnerten. Eine Fokker 100 startete.
    »Du wohnst wie neben der Autobahn.« Sie gab sich die größte Mühe, ohne Akzent zu sprechen.
    Beide schauten sie dem Flugzeug nach, bis die Umrisse sich in der Ferne auflösten und die nächste Maschine startete. Meike setzte sich ins Gras und holte ein Päckchen Tabak aus ihrer Indianertasche. Gieles hatte nicht gewusst, dass sie rauchte. Und er hatte noch nie ein Mädchen Selbstgedrehte rauchen sehen. Er setzte sich neben sie und suchte nach Worten, während er beobachtete, wie routiniert sie mit ihren kleinen Händen den Tabak in das Zigarettenpapier rollte. Er starrte auf ihren Mund und ihre Wange. Es kam nicht oft vor, dass er ein Mädchengesicht aus so großer Nähe sah.
    I ch opfere dreißig Vogelblätter, damit ich sie küssen kann .
    »Warst du sowieso in der Gegend?« Noch während er es fragte, war ihm klar, wie blöd das war. Sie zog an der Zigarette und pustete einen Tabakfaden von der Lippe. Sie schüttelte den Kopf, sämtliche Dreadlocks schwangen hin und her. Dann zupfte sie an ihrem Lederarmband mit Abbildungen von tanzenden Indianern.
    »Ich bin abgehauen.« Sie nahm einen kräftigen Zug. Auch hier saß sie im Schneidersitz. Der Schritt ihrer Nylonleggings bildete eine Art Rinne zwischen

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