Glencoe - Historischer Roman
Klumpen ab, formte ihn zum Kuchen und schob ihn auf den glühenden Stein, wo sie ihn drehte und wendete, bis er goldbraun gebacken war. Sarah war eine schlechte Bäckerin. Zwar hatte sie inzwischen gelernt, den Teig so zu bereiten, dass er nicht klebte, sondern sich reißend von den Händen löste, aber ihr Gebäck verströmte nicht den köstlichen Duft, der über den anderen Feuern waberte. Noch schlimmer aber war, dass an den anderen Feuern Frauen in Trauben zusammensaßen. Sie naschten sich gegenseitig Teig von den Fingern, lachten und schwatzten, stillten Säuglinge und stritten sich mit den lärmenden Kindern. Einzig Sarah saß allein bei ihrem Feuer.
Ihre Schwiegermutter Morag, die Lady des MacIain, lagerte mit ihren Mägden vor dem Haus Carnoch am Ausgang des Tales bei Loch Leven – das wusste Sarah, ohne es sehen zu können, denn Glencoe war ein Arm, der sich im Ellenbogen krümmte. Ihr Schwager John hatte sein Haus keinen Steinwurf weit von ihrem, und davor saßen seine Frau Eiblin, seine Schwester Gormal und seine Milchschwester Ceana, umringt von Kindern. Fünf Söhne und zwei Töchter hatten die Schwägerinnen dem Clan geschenkt und damit bewiesen, welch große Kraft ihren Männern in den Lenden klopfte.
Sarah hörte sich schnaufen. Neid steht dir schlecht , tadelte sie sich und war doch unfähig, den Blick von den Kindern zu lösen. Das siebte, das jüngste, war erst am Morgen zur Welt gekommen, und Eiblin saß schon aufrecht bei den Gefährtinnen,walkte Teig, als hätte sie nicht stundenlang in den Wehen gelegen, und hielt das Frischgeborene im Schoß. Als Sarah sich durch Wehen hatte kämpfen müssen, hatte sie tagelang auf Leben und Tod gelegen.
Es war ein Glück, an diesem besonderen Tag zur Welt zu kommen, vor allem für einen Knaben, denn es bescherte ihm Schönheit und Kraft. Sarahs Schwager John war so ein Beltane-Geborener, stark wie ein Stier und schön wie ein junges Vollblut, und nun hatte er einen an Beltane geborenen Sohn. Der allerdings musste als Enkel des MacIain noch die Probe bestehen. Schon nahte vom Knick des Ellenbogens der Zug, der kam, um das Kindchen abzuholen. Die Hebamme Mairi stolzierte mit klingenden Schellen vorneweg, hinter ihr ritt die Lady des MacIain auf einem so kleinen Pony, dass ihre Füße am Boden schleiften, und von allen Feuern sprangen Frauen auf und folgten. Hinterdrein stolperte der uralte Calum, von dem es hieß, er habe sich um den Verstand gesoffen. Er durfte bei den Frauen bleiben, weil er den Männern lästig war. Kinder umtanzten die Schar. Sie sangen.
Crodh Chailein mo chridhe,
Crodh Chailein mo ghaoil,
Gu h-eutrom ’san eadradh
A’ beadradh ri ’n laoigh.
Colins Rinder,
Meinem Herzen so lieb.
Colins Rinder
Geben Milch auf den Hügeln, in der Heide.
Glencoes Lied. Zum Tanz gesungen und zum Kampf, zum Lieben und zum Tod. Die Kinder jauchzten, stürmten los, um dem Zug entgegenzulaufen, und schleiften das Schwesterlein mit den speckigen Beinchen hinterdrein.
Kaum waren die Kleinen davongetollt, erhob sich Ceana. Sie saß stets mit gekreuzten Beinen, und wenn sie aufstand, gebrauchte sie nicht die Arme, sondern drückte sich wie ein Fohlen mit der Kraft ihrer schlanken Schenkel vom Boden. Aber Ceana war kein Fohlen. Sie war Ceana, aufrechter gewachsen als ein Tannenstamm, ihr Haar glich einem nachtschwarzen Gewand. Im Tal sagten sie: Wenn Ceana geht, trägt der Boden keine Narben davon. Sie war nicht mager wie Sarah oder klein wie Eiblin, sondern groß und wohlgestaltet, doch ihren Bewegungen haftete eine Leichtigkeit an, die nichts Irdisches hatte.
Obgleich sie schon weit über zwanzig und damit in einem Alter war, in dem die meisten Frauen selbst schon Kinder hatten, durfte Ceana als lediges Mädchen noch mit den Kindern laufen. Es klang wie ein schlechter Scherz: Ceana, die Schönste des Tales, die Ziehtochter des Chiefs, war eine alte Jungfer. Die ist zu schön , raunten sich die Frauen zu, da traut sich keiner dran, und die Männer, die sich von ihr eine Abfuhr einfingen, zeterten: Soll sie doch warten, bis sie schwarz wird, die Gletscherspalte, für einen braven Kerl ist die sich ja zu gut . Ceana galt als hochmütig und unnahbar.
Was für ein schöner Abend war, so trocken, windstill und mild. Mairi, die Hebamme, warf bei jedem Tanzschritt ein Bein, dass es unterm Rock hervorschwang, sie winkte auch Sarah, doch nur flüchtig, schließlich wusste sie, dass die spindeldürre Campbell auf ihrem einsamen Posten sitzen bleiben würde.
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