Glencoe - Historischer Roman
die beginnende Nacht.
Dann, ehe der Wachmann vor der Tür in Hörweite kam, meldete sich MacKay zu Wort. »Eins noch, Argyll«, sagte er. »Euer Mann, Glenlyon, der gefällt mir nicht. Er ist ein Feigling, aber einer, der es nötig hat, sich kaufen zu lassen. Das ist Sprengstoff, der sich leicht entzündet.«
»Das ist mir bewusst.« Argyll war nun wieder die Contenance in Person. »Und gerade weil er nichts taugt, ist er der Rechte für uns. Nicht mir ist nämlich an jenem berüchtigten Volke gelegen, sondern meinem Neffen Breadalbane.«
»Nichts liegt mir daran«, begehrte Breadalbane auf. »Mir steht nur nicht der Sinn danach, mir mit seinem Blut die Hände zu besudeln.«
Argyll ging weiter, trat an dem Wachmann vorbei, als sei der nicht vorhanden, und nickte Glenlyon zu, der die Tür aufschob. »Keine Sorge«, sagte er dann, indem er noch einmal den Kopf zu Breadalbane wandte. »Ebendazu dient ja unser Plan mit besagtem Herrn. Wir beide kommen aus dieser Sache heraus wie zwei frisch gewaschene Bräute, und im Brautbett liegt Schottland, neu und leer und fleckenlos.«
Noch ein Auftrieb, noch ein Blühen, noch ein kurzer, süßer Sommer ohne Sandy Og. Seit Ceana wusste, dass er sie liebte, wühlte der Schmerz nicht mehr bei jedem Atemzug in ihrer Brust. Gegen die Sehnsucht half das jedoch nicht, gegen die Wehmut, dass noch ein Sommer ihres Lebens verstrich, und schon gar nicht gegen die Furcht.
Zu Beltane hatte es das böseste Omen gegeben, das Glencoekannte, böser als der große Mann von Ballachullish und die Bean Nighe, die Totenwäscherin. Keiner als Ranald hatte es je zuvor gesehen: Mairi, die Herrin über Empfängnis und Geburt, die diesmal kein Kindlein aus der Familie des MacIain in den Fluss zu tauchen hatte, beschwor beim Beltane-Kalb die Kräfte der Erde, als sie – hoch aufgerichtet und die Arme gen Himmel gestreckt – zu Boden stürzte und liegen blieb. Sie war den Winter über krank gewesen, sie hatte vielleicht, so hofften die, die zu ihr eilten, nur einen Anfall von Schwäche erlitten und würde wieder genesen. Aber Mairi genas nicht, sie stand nicht einmal wieder auf. Mairi war tot.
Dass eine alte Frau starb, war nichts Besonderes. Dass jedoch die Dienerin des Lebens an Beltane starb, bedeutete ein Unglücksjahr, in dem die Frauen heulten und die Männer machtlos waren. Außerdem hatte Mairi keine Tochter gehabt, sodass es nun in Glencoe keine Frau gab, die den Müttern beim Gebären und den Unfruchtbaren beim Empfangen half. Es musste also jemand hinüber nach Appin gehen und sich dort von der Hebamme das Nötigste beibringen lassen. Als die Lady eine suchte, die bereit war, meldete sich Gormal. »Ich hab ja für keinen Mann mehr zu sorgen«, sagte sie. »Und meine Kinder sind groß, mir wird die Zeit zu lang.«
Ceana wünschte, sie hätte sich gemeldet, und einmal mehr bewunderte sie Gormals entschlossenen Mut. James’ Bruder, John von Achtriachtan, hatte angeboten, seine Schwägerin samt ihren Kindern in seinen Haushalt aufzunehmen, aber die Frau des Schwagers war emsig, und Gormal war keine, die müßig im Haus sitzen konnte. Der MacIain und seine Lady wussten das und ließen ihre Tochter gehen, baten sie nur, zu ihrem Schutz den Knecht mitzunehmen. Daran aber hatte Gormal längst selbst gedacht. So verließ sie mit Ben auf einem Karren das Tal.
Als sie zurückkam, begann sie wie selbstverständlich, sich um die Schwangeren zu kümmern, so um Sorcha aus Achnacone, die schwer an ihrem ersten Kind trug. Ihr Leib war gewaltig, schier aufgepumpt, und ihre Beine waren so geschwollen, dass jeder Schritt zur Qual wurde. Ceana konnte sich nicht daran hindern, an Sandy Og zu denken, an die überwältigende Vorstellung, sie trüge Sandy Ogs Sohn. Sie malte sich aus, wie Sandy Og sie behutsam stützte, wenn sie zum Waschen ging, sie sah Sandy Og lächeln. Wir sind schön, Sandy Og und ich, dachte sie, und es war das erste Mal, dass sie sich selbst als schön empfand, unser Sohn wird der Schönste, und Vater MacIain wird vor Freude brüllen. Wäre ich Sandy Ogs Frau, bekäme ich seinen Sohn, so hätte er ihn nicht in die Schlacht geschickt, er wäre hier, bei mir, in Sicherheit.
Sie fragte Gormal, ob sie ihr helfen dürfe, denn Arbeit war Balsam gegen Angst. Gormal sagte, derzeit brauche Sorcha nicht mehr Hilfe, aber sie brachte Ceana immerhin die wichtigsten Verrichtungen bei und versprach, sie zur Niederkunft zu holen.
Tage später kam endlich der Bote von Lochiel.
Sie hatten verloren.
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