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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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Kalb!«, empörte sich die Frau.
    Gormal gab ihr noch einen Klaps. »Hältst du jetzt dein Schwatzmaul? Ob Kalb oder Kind – von jeder lebenden Zwillingsgeburt gebührt ein Halbes dem MacIain.«
    »Und was finge er an mit meinem Jungen?« Sorcha weinte. »Würde er ihn zum Schlachten geben, und ich bekäme meinen Teil vom Fleisch?«
    »Was für törichtes Zeug«, erwiderte Gormal. »Ein Zwillingskind wüchse im Haushalt des MacIain auf, er würde es zum Gillimore oder Reitknecht erziehen, und es wäre sein Leben lang versorgt.«
    »So wie Ben?«
    »Nein.« Gormal schüttelte den Kopf. »Ben ist nur der Sohn eines Cateran, sonst wäre seine Stellung höher.« Sie biss sich auf die Lippen, dann strich sie Sorcha neuerlich das Hemd von der Brust und winkte Ben, ihr das Kind zu bringen. »Keinen Mucks mehr, hörst du?« Ceana sah, wie Gormal den kleinen Körper neben den großen legte, wie das Mündchen des Kindes nach der Brustwarze schnappte, wie seine Mutter ihm schließlich die Warze zwischen die Lippen schob und nach kurzem Zögern den Arm um es schlang. Drei Herzschläge lang war es still in der Hütte.
    Dann hämmerten Fäuste an die Tür.
    Gormal, die sich um das tote Kind hatte kümmern wollen, sprang auf und öffnete. Draußen, in der klaren Nacht, stand der Uralte.
    Er hat mich wieder verfolgt, durchfuhr es Ceana. Sie war ihm Dank schuldig, denn er hatte ihr Leben gerettet, aber sie wünschte, sie wäre ihn los, er ließe endlich von ihr ab.
    »Was willst du?«, fragte Gormal.
    »Noch ein Kind«, krächzte der Alte. »Da drüben gibt’s noch ein Kind.«
    »Wo drüben?«
    Der Uralte wies in die Nacht. »Bei der Blonden. Der Sarah.«
    Es konnte ja nicht sein. Es war nur sinnloses Lallen, und warum sprang Gormal auf und raffte Tücher in den Korb? »Bleib du bei Sorcha«, sagte sie zu Ben. »Wenn ich dich brauche, lasse ich dich holen.« Ehe Ceana nachdenken konnte, liefen sie zu dritt durch die Nacht zur Hütte der Campbell.
    Aus ihrer Tür drang kein Schrei. Die bekam gar kein Kind, die machte sich nur wichtig. Und wenn aber doch? Damals, als Ceana ein Mädchen von siebzehn gewesen war, hatte die Campbell drei Tage lang auf den Tod gelegen, von der Eilean Munde war der Geistliche gekommen, und Ceana hätte beten wollen, dass sie starb. Die kann nicht einmal ein Kind gebären, was soll Sandy Og mit der anfangen?
    Gormal stieß die Tür auf. Jetzt hörten sie das Keuchen. Ich bin schon ein Messer, erkannte Ceana, ich habe nur noch nicht zugestochen. Wer mich ansieht, glaubt einen Engel zu sehen, dabei steckt genug Teufel in mir, um einer anderen den Tod zu wünschen.
    Das Feuer war wie üblich ausgegangen, der Raum in Dunkel getaucht, doch Gormal war schnell bei der Schwägerin und steckte eine Kerze an. »Hast du den Verstand verloren, Sarah? Wie weit bist du?«
    »An der Zeit.« Die Campbell lag nicht auf dem Rücken, sondern saß auf ihrem Lager, die Beine an den Körper gezogen, und wiegte sich mit den Wellen des Schmerzes.
    »Wo ist dein Junge?«
    »Bei deinem.« Sie stöhnte. Ihr Haar, das sie sonst zusammengeschnürt trug, umhüllte Schultern, Arme und Brust. Ihr Hemd war blutverschmiert.
    Überraschend sacht drückte Gormal sie hintenüber aufs Bett. »Hast du Wasser im Haus?«
    Die Campbell schüttelte den Kopf.
    »Mein Bruder Sandy Og mag ja neuerdings ein Held sein«, sagte Gormal, »aber seiner Frau Vernunft beizubringen, ist er nicht Manns genug. Hol Wasser von Sorcha, Ceana. Beeil dich.«
    Ehe Ceana losrannte, sah sie, wie die Campbell, obwohl sie sich in Schmerzen wand, bei der Nennung ihres Namens aufblickte. Weshalb gebiert die ein Kind? Wie hat sie es bekommen, wo ihr Mann sie nicht anrührt und eine andere liebt?
    Bei Sorcha in der Hütte herrschte Stille, Mutter und Kind waren eingeschlafen, und Ben saß auf dem Schemel und hielt Wache. Er musste ein verlässlicher Mann sein, so wie Gormal ihm vertraute. Als Ceana mit dem Krug in Händen den Rückweg antrat, hörte sie die Schreie der Campbell. Aufgeschrecktes Vieh blökte durch die Nacht, und der Menschenlaut unterschied sich kaum.
    Sie stürmte just in den Raum, als Gormal das Kind aus dem schmalen Leib in die Höhe zog. Das Licht der Kerze war schwach, doch Ceana erkannte sofort: Das Neugeborene war nicht tot. Es war auch kein Krüppel. Es war ein pralles Bündel Leben, das die Fäustchen ballte, das Gesicht verkniff und brüllte, als hielte der Teufel es in Zangen. Es war ein so hübsches, gesundes Kind, wie jede Mutter es sich

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