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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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»Eure Bemerkung erschließt sich mir nicht«, bekannte er. »Nach Lochaber sollen Truppen verlegt werden, um für einen Vertragsbruch der Rebellen gewappnet zu sein. Weshalb aber sollten gerade jene Männer den Leuten Unterschlupf gewähren, gegen die diese Bewegung gerichtet ist?«
    Hill zerkaute ein Stück zähes Fleisch, ehe er Antwort gab. Es fiel ihm zunehmend schwer zu durchschauen, welcher der Drahtzieher in seinem Rücken – Argyll, Breadalbane, Dalrymple, der Staatsrat in Edinburgh, der König in Flandern – welches Ziel verfolgte, wer welchen verschlungenen Weg einschlug und wer mit wem verbündet war. Er kämpfte darum, sich nichts davon anmerken zu lassen, doch immer häufiger fragte er sich, ob auf dem Fort nicht längst jeder durchschaut hatte, dass ihr Gouverneur sich in der neuen Zeit nicht zurechtfand. »Wir werden selbstredend nur bei den Chiefs um Quartier nachsuchen, die uns durch ihr Wort verpflichtet sind«, rang er sich ab.
    »Schenkt man also nach wie vor meinem Vetter Glauben, der behauptet, sein Vertrag von Achallader sei von irgendeinem Wert? Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, man sei davon inzwischen abgekommen.«
    »Nun, von Wert ist der Vertrag ohne Zweifel«, widersprach Hill zaudernd. »Zumindest für die, die ihn unterzeichnet haben, und solange von James Stuart kein Wort erfolgt, durch das die bewussten Artikel in Kraft träten.«
    »Drückt Euch klar aus, Mann!«
    So dürfte er nicht zu mir sprechen, bemerkte Hill. In seiner Welt war er der ranghöhere Offizier und hatte daher ein Anrecht auf Respekt. Glenlyon aber würde in diese Welt nicht mehr hineinwachsen, für ihn war Hill lediglich ein bürgerlich Geborener, der im Angesicht eines Lairds seine Rübensuppe löffelte. Damals, in seinen goldenen Jahren, hatte Hill Zeit gehabt, die Gesetze der Berge zu erlernen, wenn ihm auch bewusst war, dass er sie nie durchdringen konnte. Letzten Endes würde Glenlyon besser verstehen, was er ihm zu erklären suchte. »Die Clans, die den Vertrag unterzeichnet haben, dürfen uns der Sitte Eures Landes gemäß nicht die Gastfreundschaft verweigern. Zudem wird wohl mancher froh sein, sein Tal auf diese Weise geschützt zu wissen, denn umgekehrt darf ja auch kein Gast seinem Gastgeber ein Übel zufügen.«
    Glenlyon ließ mit einem spitzen Laut des Schreckens seinen Löffel fallen. Hill erschrak mit ihm: Hatte er, ohne es zu wissen, eine Wunde getroffen? Lag hier ein Skelett begraben, von dem er nichts ahnte? Dann aber sah er, dass sein Gast, der sich mittlerweile stocksteif vom Stuhl erhoben hatte, in einen Winkel des Zimmers wies, wo aus einem Spalt im Stein ein dunkler Schatten tauchte und über den Boden huschte. Das Trippeln der Klauen war unverkennbar, und als er angestrengt hinschaute, erkannte Hill auch den nackten Schwanz, den gedrungenen Leib und das spitze, böse Maul einer Ratte.
    »Diese Scheusale schleppen wir uns von den Gefangenenbaracken ein«, stieß Glenlyon in hochgeschraubtem Ton heraus. »Sie werden immer dreister, aber dass sie sich sogar bis hierher wagen, schlägt dem Fass den Boden aus. Samt ihrer Brut im Leib ausrotten muss man das Ungeziefer, alles andere ist verlorene Liebesmüh.«
    Jetzt war es an Hill, den Löffel fallen zu lassen, doch er behielt seinen Schrecken für sich. Mit nahezu denselben Worten hatte Dalrymple von den Hochländern gesprochen, vom Ungeziefer, das es auszurotten galt, dessen Weiber, wenn man sie leben lässt, verstümmelt werden müssen, damit sie nicht länger wie Ratten ein Balg nach dem anderen werfen. Argyll hatte dem Staatssekretär mit Glut in den Augen zugestimmt. »Beruhigt Euch doch«, sagte Hill zu Glenlyon. »Wo Menschen eng beieinanderhausen, bleiben Ratten nicht lange fern. Mein Bursche hat bereits Fallen aufgestellt.« Er zeigte dem Gast ein schmales, wie eine Rampe an der Längswand ausgelegtes Brett, auf dem ein eiserner Bügel befestigt war. Oben an der Rampe wartete als Köder ein Brocken trockenen Käses.
    »Und damit, glaubt Ihr, richtet Ihr gegen die Plage etwas aus?«, ereiferte sich Glenlyon. »Wollt Ihr hören, was ich glaube? Diese Biester sind Verschwörer, die unter einer Decke stecken. Statt dass eins in Eure traurige Falle tappt, flitzt es zurück ins Nest und warnt seine Rotte.«
    »Nun«, begann Hill, den die Überhöhung der vernunftlosen Kreatur befremdete. Er brauchte jedoch nicht weiterzusprechen, denn die Ratte schickte sich bereits an, Glenlyon zu widerlegen. Sie hielt nur kurz inne, um mit

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